Einleitung
Der folgende Text aus dem Jahre 1961 ist einer Sammlung von Aufsätzen entnommen die das Ergebnis eines Kongresses der amerikanischen Streitkräfte über die biologische Wirkung von Radiofrequenzstrahlung ist. Es wird über die Entwicklung eines Schutzanzuges für Radiofrequenzstrahlung berichtet. Dieser soll das Wartungspersonal von Radaranlagen vor Schäden durch Radiofrequenzstrahlung schützen. Getestet wurde das verwendet Material vor allem im Frequenzbereich zwischen 350 und 450 MHz ( Siehe Bild 4, 6 und 7 ). In diesem Frequenzbereich liegt die Resonanzfrequenz des Kopfes, das heißt der Kopf verhält sich in diesem Bereich wie eine abgestimmte Antenne und nimmt verhältnismäßig viel Hochfrequenzenergie auf. ( Siehe auch: Radio Waves and Life auf dieser Internetseite ) Der beschriebene Anzug ist also für den Schutz vor Angriffen mit Radiofrequenzwaffen auf das zentrale Nervensystem optimiert. Und wie man sieht trägt die Person im Schutzanzug auch eine entsprechende Waffe, die gelegentlich als Mikrowellenpistole bezeichnet wird. ( siehe auch Elektromagnetische Wellen als tödliche Gefahr) Auch wenn der Anzug eine beachtliche Abschirmung um 50 dB erreicht bietet er nur einen relativen Schutz wenn die Sendeleistung entsprechend erhöht wird.

Development of a Garment for Protection of Personnel Working in High-Power RF Environments
Martin R. Reynolds
In: Proceedings of the Fourth Annual Tri-Service Conference on the Biological Effects of Microwave Radiation, Vol. 1
Mary Fouse Peyton, New York 1961, S. 71-84

Entwicklung eines Anzugs zum Schutz von Personen die im Bereich von starker Radiofrequenzstrahlung arbeiten

Eine Anforderung an Radarsysteme mit hoher Leistungsabstrahlung in der Art der Radaranlagen des Ballistic Missile Early Warning System ( BMEWS ), also des Frühwarnsystems für ballistische Raketen, ist durchgehender 24 Stunden Betrieb. Abschaltungszeiten für Wartung, Kontrolle und Reparatur müssen auf einem absoluten Minimum gehalten werden. Aus diesem Grund ist es wahrscheinlich, daß viele Wartungsarbeiten außerhalb von Gebäuden in Bereichen durchgeführt werden, in denen gefährlich hohe Feldstärken bestehen. (...)

Die hauptsächlichen Anforderungen an einen wirkungsvollen Schutzanzug sind:
1. Verringerung von hohen Feldstärken außerhalb des Anzuges auf sichere Werte innerhalb des Schutzanzuges.
2. Schutz gegen hohe Spannungsunterschiede die auf der Oberfläche des Anzuges entstehen.
3. Möglichst geringe Einschränkung von Sicht, Beweglichkeit und bei Tätigkeiten.
(...)

Abschirmung
(...) Aus der Kenntnis der erwarteten Durchschnittsleistungen in der Nähe von Hochleistungsradargeräten war es möglich, eine eindeutige untere Grenze der akzeptablen Effektivität der Abschirmung festzulegen. Es wurde eine Mindestdämpfung der Abschirmung von 40 dB ausgewählt, wobei eine Sicherheitsreserve enthalten ist. Abschirmung kann entweder durch Absorption oder durch Reflektion der Radiofrequenzenergie oder durch eine Kombination von Absorption und Reflektion erreicht werden. Eine kurze Überlegung zeigt daß die Absorptionstechnik einen Anzug erfordern würde, der zu schwer und zu unförmig wäre um ihn tragen zu können, sowie daß er eine Möglichkeit zur Abführung der aufgenommenen Wärmeenergie haben müßte. Die vernünftigste Technik ist die Reflektion der Energie. Diese kann durch das Tragen eines festen metallischen Schutzes der, ähnlich wie die mittelalterlichen Rüstungen, den ganzen Körper umgibt, erreicht werden. Besser wäre ein Schutzanzug aus einem Stoff mit einer durchgehenden metallischen Beschichtung auf seiner Oberfläche. Die Stärke der Abschirmung durch Reflektion die ein solches Material erreicht, ist eine Funktion seiner eigenen Impedanz ( Anmerkung des Übersetzers: Widerstand für den Wechselstrom ) im Verhältnis zu der Impedanz des einwirkenden Radiofrequenzfeldes. Je größer der Unterschied zwischen diesen beiden Impedanzwerten ist, desto mehr Radiofrequenzenergie wird reflektiert.

Um bei der Messung der Effektivität der Abschirmung auf der sicheren Seite zu sein sollte ein Radiofrequenzfeld verwendet werden, das im Vergleich zu einem Feld mit ebener Welle ( Anmerkung des Übersetzers: also im Vergleich zu einem Fernfeld ) eine niedrige Impedanz hat. Das kann im Labor durch eine Antennenschleife erreicht werden. Die Wellenimpedanz in der Nähe der Schleife ist sehr gering und nimmt mit der Entfernung von der Schleife zu bis sie, bei im Verhältnis zur Wellenlänge großen Entfernungen, 377 Ohm erreicht. Die Verwendung des Feldes in der Nähe der Schleife ermöglicht den härtesten Test der Effektivität der Abschirmung eines Materials.


Bild 3

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die vollständige Abschirmung. Es genügt nicht, eine Metallfläche zwischen die Strahlenquelle und die zu schützende Person zu bringen. Die Abschirmung muß den gesamten Körper der Person von Kopf bis Fuß und von Fingerspitze zu Fingerspitze umschließen. Außerdem darf es keine Unterbrechung in der Abschirmung geben. Auch größere Öffnungen für Kopf, Hände und Füße wie bei normaler Bekleidung dürfen nicht vorhanden sein. (...)

Materialien
Verschiedene Arten von metallisiertem Stoff wurden hergestellt und untersucht. Nach der Bewertung verschiedener Eigenschaften zeigten nur drei der Stoffe eine ausreichende Abschirmung in dem für sie vorgesehenen Frequenzband. Es handelte sich um leicht metallisiertes Nylon, stark metallisiertes Nylon und metallisierte schwere Marquisette ( Anmerkung des Übersetzers: Gewebeart wie sie für Gardinen verwendet wird ) die als Attenutex bekannt ist. Die Stärke der Abschirmung in Abhängigkeit von der Frequenz für diese Stoffe ist in Bild 4 wiedergegeben.

Man sieht, daß die besonders metallisierte schwere Marquisette den anderen Materialien überlegen ist und genauere Messungen ihrer Eigenschaften wurden durchgeführt. Messungen der Abschirmung wurden zwischen 0,1 und 1000 MHz mit einer, zwei und mit drei Lagen Attenutex durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Bild 5 wiedergegeben.

Aus den Kurven lässt sich ablesen, daß die Abschirmung bei zwei Lagen Attenutex im Bereich zwischen 100 und 1000 MHz über 40 dB liegt.

Nähte
Der nächste Schritt war eine Naht herzustellen, die fest war und gleichzeitig eine elektrisch leitfähige Verbindung zwischen den verbundenen Stoffteilen erzielte. Nach umfangreichen Versuchen ergab sich, daß eine Doppelnaht, die nach bestimmten Vorgaben angefertigt wurde, die Fähigkeit zur Abschirmung von zusammengenähten Stoffbahnen garantierte. (...) Es zeigte sich daß die gewählte Naht ungefähr die gleiche Abschirmung ergab wie ein einzelnes durchgehendes Stück des Stoffes.

Es ist interessant die verbesserte elektrische Eigenschaft einer Doppelnaht gegenüber einer einfachen Naht zu vergleichen. Das Material bestand aus einer anderen Art von Nylon Gewebe. ( siehe Bild 7 )

Die Doppelnaht ergab eine zwischen 5 und 15 dB bessere Abschirmung als die einfache Naht.

Einstiegsöffnung des Anzugs
(...) Die einzige praktikable Konstruktion des Anzuges schien ein einteiliger Aufbau mit einer einzigen Einstiegsöffnung zu sein. Diese Öffnung muss während des Tragens des Schutzanzuges geschlossen bleiben und einfach zu öffnen sein um den Anzug leicht ausziehen zu können. (...)
Der für den Radiofrequenzschutzanzug verwendete Verschluß sorgt für einen durchgehenden Kontakt der Oberflächen der beiden gegenüberliegenden Stoffhälften, passt sich flexibel den Körperbewegungen an und wird zur Zeit für die Patentanmeldung vorbereitet. Die Untersuchung der elektrischen Abschirmung des Verschlusses alleine ergab eine Dämpfung von mindestens 60 dB. (...)

Isolation gegen Hochspannung
In den beschriebenen Gebieten mit hoher Leistungsdichte bestehen im freien Raum elektrische Feldstärken von mehreren tausend Volt pro Meter. Da der Radiofrequenzschutzanzug metallisiertes Gewebe verwendet ist seine Leitfähigkeit bedeutend geringer als die von Metall alleine und so ist es wahrscheinlich, daß hohe Radiofrequenzspannungen zwischen verschiedenen Teilen des Schutzanzuges entstehen können. Selbst wenn der Anzug aus einem sehr guten elektrischen Leiter bestehen würde, ist es möglich, daß der Träger des Anzuges mit seinem Körper gleichzeitig mit zwei ansonsten elektrisch getrennten Metallteilen in Berührung kommt, die von dem Radiofrequenzfeld bestrahlt werden. Ein Beispiel ist die Arbeit an einem Rohr an der Decke während die Person auf einem Metallplattform steht. Wenn die Plattform und das Rohr nicht durch einen Leiter mit niedrigerer Impedanz im Radiofrequenzbereich miteinander verbunden sind, kann ein schwerer elektrischer Schlag durch den Anzug übertragen werden. Aus diesem Grund ist es wünschenswert den ganzen Anzug mit einem Überzug aus einem dielektrisch isolierenden Material zu überziehen.

Hochspannungsisolationsversuche wurden mit mehr als 50 Materialien durchgeführt, einige porös, andere undurchlässig. Es wurde entschieden, ein extra für diesen Zweck angefertigtes undurchlässiges Neopren beschichtetes Nylongewebe als äußerste Schicht des Schutzanzuges zu verwenden. Obwohl nur 0,009 Zoll dick, haben Versuche mit Hochspannung gezeigt, daß dieser Stoff gegen höhere Spannungen als die als Konstruktionsziel angesehenen 4000 Volt schützt. Mit dieser undurchlässigen Hülle findet der Luftaustausch zwischen dem Inneren und dem Äußeren des Anzuges durch einen Gesichtsschutz aus Drahtgeflecht statt, der die einzige Öffnung ist, wenn die Einstiegsöffnung des Anzuges geschlossen ist. (...)

Sicht
Die Sicht wird durch einen halbkreisförmigen Gesichtsschutz aus Drahtgeflecht vor den Augen ermöglicht. (...)
Messungen der Effektivität der Abschirmung wurden mit Maschendraht verschiedener Größe durchgeführt. Die Ergebnisse von drei dieser Versuche zeigt Bild 9. Wie man sieht ergibt Maschendraht mit mehr als ungefähr 18 Drähten pro Zoll ( Anmerkung des Übersetzers: 1 Zoll = 2,54 cm ) über 40 dB Dämpfung bei Frequenzen über 100 MHz. Für den Schutzanzug wurde ein Maschendraht mit 24 Kupferdrähten pro Zoll und einem Durchmesser von 0,014 Zoll gewählt. Die dadurch zusätzlich erreichte Dämpfung der Strahlung wird zum Schutz der Augen als sinnvoll angesehen.

Die elektrische Verbindung zwischen den Lagen des abschirmenden Stoffes und dem Metalldrahtgeflecht wird durch rechteckige Metallrahmen und eine Neoprendichtung hergestellt. Eine Versuchsversion dieses Aufbaus wird in Bild 10 gezeigt.

Der Druck zwischen dem Rahmen des Drahtgeflechts und dem Stoff wird durch Metallschrauben mit einem Abstand von ungefähr 1 Zoll erreicht. In die Löcher im inneren Rahmen sind auf der inneren konkaven Seite an der Oberfläche Löcher eingearbeitet. In diese Löcher werden Dichtungen eingelegt, die die Löcher gegen Strahlenlecks abdichten. Die Löcher mit den Schrauben sind genaugenommen koaxiale Übertragungsleitungen, die Strahlung in die Maske leiten können. Die Dichtungen unterbinden diese Gefahr. Die Löcher in dem abschirmenden Stoff sind etwas kleiner als der Durchmesser der Schrauben, so daß ein guter Kontakt rund um die Schrauben hergestellt ist. Auch das verringert die Möglichkeit einer koaxialen Übertragung durch den Gesichtsschutz. (...)

Konstruktion des Schutzanzuges
Der gegenwärtige Schutzanzug besteht aus mehreren Materiallagen. Die äußere Lage ist ein mit Neopren überzogenes Nylon zur elektrischen Isolation und zum Schutz vor Abrieb. Die zwei folgenden Schichten bestehen aus Attenutex Gewebe zur Abschirmung. Eine dritte Lage dieses Stoffes wurde zur Verstärkung unter und um die Füße herum genäht. Die innerste Lage besteht aus einem starken und dicken Baumwollstoff. Jede einzelne Lage für sich ist ein eigener Anzug und sie alle sind an bestimmten Punkten zur Verstärkung zusammengeheftet. Den Radiofrequenzschutzanzug zeigt Bild 11; er wiegt ohne die Stiefel etwas unter 10 lb ( Anmerkung des Übersetzers : ca. 4,5 kg ). Bei warmem Wetter brauchen die gezeigten Arktisstiefel nicht getragen werden. (...)

Test des Schutzanzuges
Die Effektivität der Abschirmung eines vollständigen Schutzanzuges wurde bei niedriger Leistungsdichte gemessen. Die Ergebnisse zeigen, daß die Abschirmung an keiner Stelle geringer als 45 dB und an 9 Stellen größer als 50 dB war. Es sei daran erinnert, daß die Messungen mit einem Feld niedriger Impedanz durchgeführt wurde und daß man erwarten kann, daß die Abschirmung bei ebenen Wellenfronten ( Anmerkung des Übersetzers: Also im Fernfeld der Antenne ) noch größer ist.

Schlussfolgerung
Ein geplantes Konstruktions- und Entwicklungsprogramm hat zur Produktion eines Radiofrequenzschutzanzuges geführt. Dieser Anzug kann zum sicheren Schutz in einem elektromagnetischen Feld getragen werden dessen Leistungsdichte zehntausend mal stärker ist als der zur Zeit gültige Grenzwert. Der Anzug ermöglich vollständig freie Bewegung ohne Einschränkung der Sicht. Er ist konstruiert worden um schweren mechanischen und Umweltprüfungen zu widerstehen. Diese Prüfungen haben gezeigt, daß der Anzug sehr stabil und in der Lage ist, seine Schutzfunktion aufrecht zu erhalten, ohne Mobilität und Handlungsfähigkeit einzuschränken.

Literaturangaben:
Filtron Company, Inc.
Power density Levels in the Region Between the BMEWS Detection Radar Reflector and Scanner Building
Report No. TM-1063-14, 10. November 1958 ( Secret )

Harley, J.
Garments for RF Protection of Personnel in High-Power-Density Environments
Filtron Company, Inc., Report No. TM-1063-22, 13. March 1959 ( Secret )

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