Wetter und Gesundheit

Bernhardt Düll
Wissenschaftliche Forschungsberichte
Naturwissenschaftliche Reihe Band 54, Dresden 1941

(S.65f) Eine andere Begleiterscheinung der UV-Einbrüche ( Anmerkung: Anstieg der auf die Erde fallenden UV-Strahlung durch chromosphärische Eruptionen auf der Sonnenoberfläche ), die zum ersten Mal von R. Bureau, J. Maire und R. Jouaust festgestellt wurde, besteht darin, dass gleichzeitig mit dem Eintreffen der eine chromosphärische Eruption verkündenden besonderen Lichtstrahlen ein plötzlicher, mehrere hundert Prozent betragender Anstieg der sogenannten "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" stattfindet. Bei diesen "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" handelt es sich um sehr schnelle, stoßartige Schwankungen des elektrischen und magnetischen Feldes der Erde, die normalerweise beim plötzlichen Ausgleich hoher elektrischer Ladungen entstehen. Zur Zeit lässt sich noch nicht mit Bestimmtheit abschätzen, ob diese anormalen Störungsanstiege bei chromosphärischen Eruptionen durch die infolge der stark erhöhten Ionisation eines Teiles der Atmosphäre vermutlich auch verstärkten atmosphärische-elektrischen Ausgleichsvorgängen hervorgerufen werden, ob sie auf plötzlich wesentlich verbesserte Ausbreitungsbedingungen der "normalen" "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" zurückgeführt werden müssen oder ob gar ein Teil dieser Störungen direkt von der Sonne stammt.

(S.73) Die akustischen, elektrischen und magnetischen "Flatterfrequenzen"
Eine besondere Erwähnung verdienen gewisse sehr schnelle Luftdruckoszillationen oder Infraschallschwingungen mit einer Schwingungszahl von etwa 6-12 pro Sekunde, die z.B. dann auftreten, wenn die Luftmassen nicht ganz abgedichteter Innenräume durch starken Wind ( z.B. Föhn ) oder bestimmte Luftdruckschwankungen zu Eigenschwingungen angeregt werden. Ihnen kann nach Versuchen, die W. Storm van Leeuwen und Mitarbeiter angestellt haben, eine besondere physiologische Wirkung zukommen, die gewissen Symptomen der Wetterfühligkeit nicht unähnlich ist. Aus Gründen, deren Darlegung hier zu weit führen würde, kommen aber auch die Infraschallwellen als maßgebliches "Agens" nicht in Frage, wenngleich die Möglichkeit ihrer Beteiligung am Zustandekommen der Wetterfühligkeit und -empfindlichkeit nicht bestritten werden kann. Sehr interessant ist aber, dass die genannte "kritische" Schwingungszahl der Infraschallwellen in einem Frequenzbereich liegen - wir nennen ihn aus psychophysiologischen Gründen den "Flatterbereich" - der auch für gewisse Schwankungen des erdmagnetischen Feldes, des erdelektrischen Feldes und der sogenannten Bodenunruhe charakteristisch ist. Für eine ( bisher nicht näher untersuchte ) biologische Wirkungsmöglichkeit, insbesondere der elektrischen und magnetischen "Flatterfelder", spricht vielleicht die Tatsache, dass die elektrischen Aktionsströme des menschlichen Gehirns, der Nerven und der Muskeln ihre stärksten Amplituden ebenfalls im "Flatterbereich" aufweisen.

(S.76ff) Die "athmosphärisch-elektrischen Parasiten"
Die schon kurz erwähnte und durch außerordentlich viele Beobachtungen belegte Tatsache, dass viele der akuten Anzeichen von Wetterfühligkeit und Wetterempfindlichkeit in einem künstlich temperierten und befeuchteten, mit gut schließenden Doppelfenstern versehenen Raum genauso deutlich auftreten wie im Freien, spricht dafür, dass die Spurenstoffe und Ionen der Luft allein zur Aufstellung eines "Wirkungsschemas" nicht ausreichen. Vielmehr führt die Berücksichtigung aller bis heute auf meteoropsychologischem, -physiologischem und -pathologischem Gebiet gemachten Beobachtungen ausgesprochenster Fernwirkungen zu der Annahme, dass möglicherweise auch den nachweislich von Störungsherden der hohen und tiefen Atmosphäre ausgehenden, und weite Lufträume ebenso, wie z.B. Mauern mehr oder weniger gut durchdringenden Strahlen gewisse biologische Wirkungen zukommen. Wenn wir im folgenden kurz die wesentlichsten Eigenschaften der beiden wichtigsten der in Frage kommenden Strahlenarten erläutern, dann im Hinblick darauf, dass die Auffindung des die Wetterfühligkeit und Wetterempfindlichkeit hervorrufenden "Agens" als Zentralproblem der gesamten Meteorobiologie zu betrachten ist und für die Lösung dieses Problems auch der bescheidenste Anhaltspunkt von Wichtigkeit sein kann und deshalb sorgfältig untersucht werden muß.

Die eine dieser beiden Strahlenarten, die gar nichts "Mystisches" an sich haben, da sie seit Jahren mit exakten physikalischen Methoden in allen fünf Erdteilen registriert werden, umfasst die schon in einem früheren Kapitel erwähnten "atmosphärisch-elektrischen Parasiten". Diese stoßartig einsetzenden Schwingungen des elektrischen und magnetischen Feldes der Erde werden verursacht durch elektrische Ausgleichsvorgänge an solchen Stellen der Atmosphäre, wo infolge heftigen thermodynamischen Energieumsatzes ( Zyklonen, Stürme und Gewitter ) oder infolge solarer Strahlungseinbrüche abnormal hohe Ionenkonzentrationen und sehr starke elektrische Felder auftreten. Die Reichweite der "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" beträgt ( nach M. Bäumler und anderen ) nachweislich mehrere tausend Kilometer, und ihre Ausbreitung erfolgt mit Lichtgeschwindigkeit.

Die atmosphärischen Zentren ihrer Entstehung ( z.B. Sturmzyklonen, Gewitterherde usw. ) sind, wie aus Untersuchungen von J. Lugeon, R. Bureau, B. F. J. Schonland und D. B. Hodges, R. A. Watson Watt, E. H. Kincaid, J. T. Henderson, S. P. Sashoff und J. Well, I. Ranzi und anderen hervorgeht, mit gerichteten Antennen ( z.B. Rahmenantennen ) direkt anpeilbar. Auch bei ionosphärischer Entstehung der "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" lassen sich nach F. Schindelhauer im Laufe des Tages und Jahres deutlich verschiedene bevorzugte Einfallsrichtungen nachweisen. Die Dauer der am häufigsten beobachteten Einzelstörungen beträgt ungefähr 100-150 Mikrosekunden, die ganzer Gruppen bis zu 50 000 Mikrosekunden. Bei einem periodischen oder quasiperiodischen Verlauf dieser Störungen liegt ihre Frequenz zumeist zwischen 5000 und 10 000 Hertz pro Sekunde. Ihre Amplitude kann einige Millivolt bis einige Volt pro Meter betragen. Treten die Störungen einzeln auf, dann machen sie sich im Lautsprecher eines elektrisch in geeigneter Weise dimensionierten Empfangsapparates als Klick-, Knack- und Knallstörungen bemerkbar, bei gruppenweisem Auftreten rufen sie Krach-, Kratz-, Prassel-, Brodel- und Zischgeräusche sowie Pfeiftöne hervor. Ihre ojektive Aufzeichnung erfolgt mit Hilfe von Feder-, Saiten- und Kathodenstrahloszillographen oder mit Impulsschreibern und Röhrenvoltmetern.

Auf die Möglichkeit einer biologischen Wirkung dieser "atmosphärisch-elektrischen Parasiten" ist erstmals wohl von F. Larroque, später auch von C. Dorno, A. Gockel u. a. hingewiesen worden. Die Art einer etwaigen Wirkung dieser Feldstöße auf den Organismus darf man sich vielleicht ähnlich derjenigen vorstellen, die von verschiedenen Seiten zur Erklärung der durch sehr schwache Kurzwellenbesendungen hervorgerufenen psychophysischen Reaktionen in Betracht gezogen worden ist. Vielleicht spricht für diese Anschauung, dass die Merkmale des sogenannten "Kurzwellenkaters" den Symptomen der Wetterfühligkeit in ihren leichten und schweren Formen sehr ähnlich sein können. Von den außerordentlich zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen seien nur diejenigen von E. Schliephake erwähnt. Dieser konnte bereits vor zehn Jahren feststellen, dass sich bei Menschen, die eine Zeitlang in der Nähe von Ultrakurzwellensendern geweilt hatten, ähnliche nervöse Erscheinungen einstellten, wie sie vom Neurastheniker her bekannt sind, nämlich: starke Benommenheit und Mattigkeit am Tage und unruhiger, mit ausgesprochenen Angst- und Schreckzuständen verbundener Schlaf in der Nacht; dazu ein eigenartig ziehendes Gefühl in der Stirn und Kopfhaut; oft Kopfschmerzen, die sich bis zur Unerträglichkeit steigern; ferner Neigung zu depressiver Stimmung, Aufgeregtheit und Streitsucht.

Bei längerer Einwirkung der elektrischen Wellen zeigten sich außerordentliche Trägheit und Entschlussunfähigkeit. Bei anderen von B. Danilewsky und A. Worobjew ausgeführten Versuchen mit Nerven-Muskel-Präparaten in Ringerscher Lösung ergaben sich deutliche physiologische Wirkungen auch dann, wenn die Bestrahlung nur Bruchteile einer Sekunde dauerte, also impulsartig erfolgte, in Analogie zu den "atmosphärisch-elektrischen Parasiten".

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