Tiefenwirkung im Organismus durch kurze elektrische Wellen (2)

Teil 2: Experimentelle Untersuchungen
Erwin Schliephake
In: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin: 66, S. 230-264, Berlin 1929

(S.231) Mäuse und Ratten wurden einige Sekunden nach dem Einschalten des Stromes sehr unruhig, quiekten und fuhren im Glaskasten mit zunächst zunehmender Lebhaftigkeit hin und her; Atmung und Herztätigkeit wurden sehr frequent. Nachdem der Höhepunkt der Unruhe erreicht war, trat ein Stadium ein, bei dem die Tiere still saßen und nur ab und zu wieder einige heftige Bewegungen machten. Es ging in eine völlige Erschlaffung über. Wurden die Tiere in diesem Zustande herausgenommen, so krochen sie, je nach Schwere der Erscheinungen, einige Sekunden bis Minuten mit ausgestreckten Extremitäten langsam umher. Sehr bald folgte darauf eine Phase, bei der die Tiere eine außerordentliche nervöse Reizbarkeit aufwiesen, die in auffallendem Gegensatz zu der noch vorhandenen Schlaffheit stand. Händeklatschen, Pfeifen und ähnliche Geräusche, auf welche die Tiere im gesunden Zustand kaum reagiert hatten, riefen starkes Erschrecken hervor, ja die Ratten sprangen oft schon auf geringe Geräusche hin hoch auf.

Stets gingen aber nach geraumer Zeit alle diese Erscheinungen wieder völlig zurück, irgendwelche schädlichen Folgen für die Tiere machten sich auch dann nicht bemerkbar, wenn die Bestrahlung beim Eintritt der ersten Zeichen der Agonie unterbrochen war. Wurde die Bestrahlung noch über dieses Stadium hinaus weitergeführt, so trat der Tod ein mit sofortiger Leichenstarre, die sich nach einigen Stunden wieder löste. Die Tiere, welche in dem Kondensatorfeld den Tod gefunden hatten, fühlten sich heiß an und wiesen mit Thermometer gemessen Temperaturerhöhungen um mehrere Grade auf, bis über 43° rectal.

(S.232f) (...) Daß allerdings neben der Wärmeentstehung auch noch andere Wirkungen auf den Organismus in Frage kommen, beweist das Zusammenzucken, das bei vielen Tieren sowohl bei der Ein- wie Ausschaltung des elektrischen Feldes beobachtet wird. Das kann nur aus direkter elektrischer Einwirkung auf das Nervensystem der betreffenden Tiere erklärt werden, denn irgendwelche sekundären Wirkungen des elektrischen Feldes müssten zu ihrem Zustandekommen eine gewisse Zeit benötigen und kommen deshalb als Ursache für das Zucken nicht in Frage. Eine weitere Beobachtung dieser Art ist die, daß man beim Betrieb des Senders mit Wechselstrom von 50 Perioden an der ins Kondensatorfeld gehaltenen Hand ein deutliches Vibrieren wahrnimmt. Diese Empfindung hatten auch ganz unbefangene Beobachter, denen vorher nichts davon mitgeteilt worden war. Auch das weist darauf hin, daß irgendeine direkte Beeinflussung von Nerven durch elektrische Kräfte stattfinden muß.

Mit Allgemeinerscheinungen an Menschen habe ich mich nur insoweit befasst, als sie bei den am Sender beschäftigten Personen auftraten. An mir selbst konnte ich nach sehr intensiver Beschäftigung mit Kurzwellenversuchen eine zunehmende nervöse Reizbarkeit wahrnehmen. Trotz starker Mattigkeit wurde der Schlaf unruhig und schlecht. Auch trat jeweils nach lang dauernden Versuchen Kopfweh ein. Ähnliche Beschwerden wurden mir wiederholt von anderen mit Kurzwellen beschäftigten Personen mitgeteilt. Bei einigen anscheinend besonders geeigneten Personen waren nach längerem Aufenthalt im Strahlungsbereich des Senders Steigerungen der rectalen Temperatur in der Größenordnung von etwa 1/2 Grad vorhanden, doch reagierten nicht alle Menschen in gleicher Weise.

Die Wirkung auf Menschen scheint mir nach meinen bisherigen Ergebnissen von einer bestimmten Wellenlänge abhängig zu sein; die an mir selbst beobachteten Erscheinungen waren nach der Arbeit an einem Sender mit etwas über 3 m Wellenlänge stärker als beim 4,50 m Sender, trotzdem bei dem letzteren 3-4 mal höhere Energien umgesetzt wurden. Ich nehme aus diesem Grunde an, daß die Abstimmung der Welle auf die Körperlänge eine ausschlaggebende Rolle spielt in dem Sinne, daß der ganze Körper dann als Dipol in der halben Wellenlänge schwingt. Allerdings muß dabei auch die stärkere Ausstrahlung des 3 m Senders in Rechnung gezogen werden; da der Strahlungswiderstand mit der 4. Potenz der Schwingungsfrequenz wächst, ist der Unterschied gegenüber dem 4,5 m Sender schon recht erheblich. (...)

(S.244f) Bringt man z.B. Meerschweinchen oder Mäuse in einem Glaskasten ins Kondensatorfeld, so daß sie sich bewegen können, so schwankt der Zeiger des Amperemeters ( Anmerkung: das den Stromverbrauch des Senders misst, M.B. ) bei jeder Bewegung hin und her. Auch bei stillsitzendem Tier ist ein dauerndes Oscillieren des Zeigers bemerkbar, das den Atembewegungen der Tiere entspricht. Bringt man die Hand ins Kondensatorfeld, so lassen sich durch Bewegungen der Finger kleine Verstimmungen im Kreis herbeiführen. Werden beim Menschen die Kondensatorplatten in die Herzgegend gebracht, so macht sich auch die Herztätigkeit in Bewegungen des Amperemeterzeigers bemerkbar. Es liegt auf der Hand, daß derartige Stromschwankungen durch einen Detektor oder sonstiges Empfangsgerät mit Lautsprecher auch ohne weiteres hörbar gemacht werden können oder durch Verbindung des Empfängers mit Seitengalvanometer registriert werden können.

Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Zustandsänderungen innerhalb des Körpers durch derartige Registriervorrichtungen der Beobachtung zugänglich zu machen, die auf andere Weise nicht fassbar sind. Hierauf gerichtete Untersuchungen sind bereits im Gange. (...)

(S.256) Wie rasch diese ( Wärmeregulation ) in Funktion treten kann, zeigt sich darin, daß bei empfindlichen Menschen an der ins Kondensatorfeld gehaltenen Hand fast momentan nach Einschalten des Stromes lokales Schwitzen auftreten kann. Allerdings habe ich diese Erscheinung nur bei Menschen beobachten können, die an sich zu Schweiß neigen.(...)

(S.259f) Wenn auch in Betracht gezogen werden muß, daß beim Kaninchen und Meerschwein die Temperatur schon an sich wenig konstant ist und häufig um mehrere Zehntelgrade im Lauf eines Tages schwankt, so geht doch die Kurve 25 weit über das hinaus, was wir bei normalen Tieren zu sehen gewohnt sind. Zum Vergleich möge der erste Teil der Kurve Abb. 27, S. 261 dienen, die von einem gleichzeitig gemessenen Normaltier stammt. Die von einem gleichzeitig gemessenen Normaltier stammt. Die Bestrahlungen bei unserem Tier geschahen an den mit Pfeilen bezeichneten Zeitpunkten und dauerten bei einer Stromstärke von 6 Ampere je 1 Minute. Der starke Wärmeanstieg nach jeder Bestrahlung ist deutlich zu erkennen.

Am 14.10. fällt auf, daß nach der einen Tag vorher stattgefundenen zweimaligen Bestrahlung ein vorübergehendes Absinken der Aftertemperatur eingetreten ist. Ich werde auf diesen Punkt noch zurückkommen. Zwei Tage danach, an einem Tag, wo das Kontrolltier völlig gleichmäßige Temperaturen aufwies, tritt unvermittelt eine Fieberzacke von 40° auf, der am nächsten Tag wieder eine Abfall auf 39° folgt. Merkwürdig ist ferner die große Spanne, die nach den Bestrahlungen zwischen Maul- und Aftertemperatur besteht; den Temperaturabfall am 13.10. macht die Maultemperatur überhaupt nicht mit, auch bei der Fieberzacke am 22. besteht zwischen Maul und After eine Spanne von einem ganzen Grad. Der gleichmäßige Verlauf der beiden Temperaturen in allen Vergleichskurven ( auch vielen hier nicht abgebildeten ) zeigt, daß es sich hier um ein außergewöhnliches Verhalten handelt, und daß Messungsfehler nicht vorliegen. (...)

(S.261) Bei einem Kaninchen wurde (...) nach Betäubung mit 4 ccm subcutan eingespritzter 20 %iger Urethanlösung eine Bestrahlung von Brust und Nacken ausgeführt. Abb. 27 gibt die bald danach eingetretene starke Senkung der Körperwärme wieder. Eine erneute Bestrahlung nach 3 Tagen hatte den gleichen Erfolg.

Wenn wir alle diese Erscheinungen im Zusammenhang betrachten, so drängt sich uns der Schluß auf, daß durch die Bestrahlungen die zentrale Wärmeregulation gestört worden sein muß. (...)
Ein gewisses Abfallen der Allgemeintemperatur war bei allen Tieren, auch denen, wo nur die hintere Körperhälfte bestrahlt worden war, am nächsten Tage zu beobachten. Somit müssen wir annehmen, daß schon die Erwärmung des Blutes an sich hier eine Überkompensation bezüglich der Wärmeabgabe nach sich gezogen hat. Andererseits ist dieser Wärmesturz bei den Tieren, wo nur Kopf und Hals bestrahlt worden waren, bedeutend größer als bei den anderweitig bestrahlten Tieren, und zwar auch dann, wenn die allgemeine Körperwärme nicht besonders stark angestiegen war.

Dieser Befund lässt sich nur so erklären, daß hier eine direkte Beeinflussung der zentralen Wärmeregulierung stattgefunden haben muß. In diesem Sinne spricht auch die starke Unregelmäßigkeit der Temperaturen, die noch einige Tage nach den Bestrahlungen bestehen bleibt. Offenbar ist die zentrale Wärmeregulation durch die Bestrahlungen so geschädigt, daß die feinere Einstellung der Körperwärme gelitten hat und sich den Verhältnissen bei den Poikilothermen etwas annähert.

http://www.totalitaer.de