Tiefenwirkungen im Organismus durch kurze elektrische Wellen (1)


Teil 1: Wesen, Erzeugung und Anwendungsweise der Kurzwellen vom medizinischen Standpunkt
Erwin Schliephake
In: Zeitschrift für die gesamte experimentelle Medizin: 66, S. 212-229, Berlin 1929

(...) (S.214) ( Es ) hat sich ein umfangreiches Gebiet eröffnet, das in diesen Zeilen noch lange nicht abschließend behandelt werden kann. Verschiedene Fragen habe ich vorerst überhaupt nicht berücksichtigen können, so diejenigen nach den sicher vorhandenen spezifisch elektrischen Wirkungen. (...)

(S.216) Nach dem Kirchhoffschen Verteilungsgesetz muß die Stromstärke eines durchfließenden Stromteiles ( Anmerkung: hier des Diathermiestromes, M.B. ) in den Teilen geringsten Widerstandes am größten sein. Im Körper muß sich also der Strom die Stellen des geringsten Widerstandes gewissermaßen selbst aussuchen, z.B. die Blutbahnen. (...)
Wenn ein großer Widerstand wie derjenige der Haut und des Unterhautfettgewebes, nicht umgangen werden kann, muß infolgedessen die stärkste Erwärmung an dieser Stelle stattfinden. Bei Längsdurchströmung eines Körperteiles wird sich daher zunächst die Haut bzw. das Unterhautfettgewebe an der Ein- und Austrittsstelle des Stromes am stärksten erwärmen. Weiterhin wird die größte Stromdichte und damit die stärkste Erwärmung entlang den größeren Blutbahnen und im Capillarnetz der Haut zu suchen sein. Diese Annahme wird größtenteils bestätigt durch Untersuchungen von Oskar Schmid, bei denen tatsächlich die Erwärmung durch den Diathermiestrom in der Gegend der großen Gefäße und in der Subcutis am größten gefunden wurde. Ferner war die Erwärmung an der Oberfläche von Muskeln stärker als in deren Mitte. (...)
Bei der Querdurchströmung erwärmen sich ebenfalls Haut und Fett sehr stark. Dazwischen liegt das Capillarnetz der Haut, das dem Strom sehr günstige Leitungsbedingungen bietet, so daß ein Teil des Stromes diese Bahn benutzt. (...)

(S.217) Mittels einer Anordnung von Elektronenröhren, durch welche Schwingungen bis zur Frequenz von 10 000 000 Hertz erzeugt werden können, wurden Neuritiden erfolgreich behandelt. Allerdings sind die verwertbaren Energien nur gering, so daß ein wesentlicher Wärmeeffekt kaum in Frage kommen dürfte. Stieböck glaubt auch die günstige Wirkung auf rein elektrische Vorgänge zurückführen zu müssen. Dieses Verfahren unterscheidet sich von der bisherigen Diathermie eigentlich nur durch die Verwendung höherer und veränderlicher Frequenzen; die Zuleitung zum Körper geschieht im übrigen wie bisher durch Kontaktelektroden. (...)

(S.221) Bringen wir Versuchsobjekte in den Strahlungsbereich einer Antenne, so sind von vornherein keine allzu großen Wirkungen zu erwarten, da der betreffende Gegenstand nur einen geringen Ausschnitt von der gestrahlten Energie auffängt. Selbst wenn man berücksichtigt, daß ein in große Nähe gebrachter Leiter einen Teil der Feldwirkung auf sich konzentriert, ist nur eine geringe Energiewirkung zu erwarten. Immerhin wurden gewisse Erscheinungen an in der Nähe des Senders weilenden Personen beobachtet, auf die ich später zurückkommen werde. Bedeutend günstiger gestalten sich die Verhältnisse, wenn das Objekt selbst als Dipol arbeitet, d. h. wenn seine Länge der halben Wellenlänge entspricht, so daß Resonanz mit dem Primärkreis besteht. Dies hat zur Voraussetzung, daß die Wellenlänge veränderlich ist und jeweils so eingestellt wird, daß die ein gerades Vielfaches von der Länge des Objektes beträgt ( s. u. Resonanz ).

Die Strom- und Spannungsverteilung muß dann die gleiche sein wie beim Dipol. Da die Kenntnis etwaiger Wärmevorgänge und ihrer Verteilung besonders im Hinblick auf die Verhältnisse im menschlichen Körper von großer Wichtigkeit schien, habe ich entsprechende Modellversuche unternommen. Glasrohre von der halben Wellenlänge ( 150 cm ) wurden mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllt. Zur Verhinderung der Konvektion diente ein Gelatinezusatz, der die Lösung zum Erstarren brachte. Diese Rohre wurden als Dipol mit dem Schwingungskreis induktiv gekoppelt; durch Thermoelemente wurde dabei der Temperaturanstieg pro Minute gemessen. Schon nach wenigen Sekunden zeigte sich eine Erwärmung der Lösung, und zwar am stärksten in der Mitte, am geringsten an den beiden Enden. Die Kurve ( Abb. 6 ) ist das Ergebnis einer solchen Messung, wobei alle 10 Minuten abgelesen wurde. Wie man sieht, steigt die Erwärmung bei 1/4 und 3/4 der Rohrlänge fast genau halb so rasch an als in der Mitte; an den Enden ist sie sehr gering.

(...)

Eine viel stärkere Einwirkung der freien Raumwelle ist dann zu erwarten, wenn es gelingt, die Strahlung zusammenzufassen und auf einen beliebigen Punkt zu konzentrieren. Dahin zielende Versuche sind schon von Hertz unternommen worden, der durch Hohlspiegel aus Blech und Linsen von Asphalt die elektrischen Wellen in Brennpunkte zusammenfassen konnte. Allerdings kamen bei den hierzu verwandten Wellenlängen in der Größenordnung von 40 cm nur verschwindend kleine Energien in Frage.

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