Aus der Praxis der Kurzwellentherapie

Victor Tomberg
In: Radiowelt, 1932, 41, S.1334f

(...) Als die Hochfrequenzerzeugung mittels Elektronenröhren bekannt wurde, bemühte man sich, ihr auch in der medizinischen Praxis Eingang zu verschaffen.(...) Schon im Jahre 1920 versuchten einzelne Forscher in Amerika und Frankreich hochfrequenztherapeutische Wirkungen (...) zu erzielen. Fürs erste durch Verwendung sehr kurzer Wellen, und zweitens nicht im hochfrequenten Stromkreis direkt, sondern innerhalb des Dielektrikums eines mit Hochfrequenzströmen gespeisten Kondensators.

Bereits im Jahre 1911 hatte Schittenhelm mittels eines Kondensatorbettes gezeigt, dass Temperatursteigerungen und Wärmeeffekte in Organen möglich sind, die mit den Elektroden nicht direkt verbunden sind, sondern auch dann, wenn die Elektroden durch Dielektrika, z. B. durch Hartgummiplatten hindurch, auf Organe einwirken. (...) Schon instinktiv hatte man gefunden, dass die Verwendung kürzerer Wellen eine bedeutend höhere biologische und therapeutische Wirkung ergibt. (...) Im Jahre 1926 veröffentlichte Schereschewsky eine Untersuchung über die Einwirkung von Ultrakurzwellen auf Mäuse, die sich im Kondensatorfelde befanden. Die Mäuse starben nach einigen Minuten, obwohl die Energie des Ultrakurzwellensenders nicht mehr als zirka 8 Watt betrug. Die in ihnen auftretende Joulesche Wärme trieb die Körpertemperatur so hoch, dass sie zugrunde gingen.

Im Jahre 1928 fanden es Esau und Schliephake in Jena für gut, diese Ergebnisse in großem Maßstabe und mit großen Energien bis zu drei Kilowatt therapeutisch auszuwerten. Auch in Wien wurde um diese Zeit ( Stieböck, Tomberg, Kowarschik, Liebesny, Heller ) zur Klärung der biologischen und physiologischen Wirkungen mit wissenschaftlichen Untersuchungen begonnen. Von ärztlicher Seite wurden Stimmen laut, dass es sich bei der Einwirkung kurzer Wellen auf Organismen nicht nur um einen Wärmeeffekt handle, sondern dass auch spezifisch elektrische, molekulare oder atomistische Vorgänge und Erscheinungen auftreten.

Diese Vermutungen sind durchaus nicht neu. Man findet in der einschlägigen Literatur schon vor 1900 solche Ansichten vor, die, hervorgerufen durch spontane Heilungsprozesse bei Hochfrequenzbestrahlungen, zur Erklärung dieses Wunders dienen. Physikalisch konnte ( Anmerkung: damals ) aber kein Beweis für die Richtigkeit dieser Hypothese geführt werden. Heute lassen sich diese Erscheinungen infolge der exakteren Beobachtungsmethoden und der durch die Anwendung der Elektronenröhre bedingten einwandfreien Arbeitsweise besser verfolgen. Zur Auseinanderhaltung des reinen Wärmeeffektes und des spezifisch elektrischen Effektes gilt in erster Annäherung die Regel: Lassen sich die im Hochfrequenzfelde beobachteten Erscheinungen durch normale Wärmezufuhr oder Erhitzung kopieren oder nicht? Diese Frage ist aber in vielen Fällen aus praktischen Gründen nicht leicht zu beantworten. (...)

( Der ) Verfasser konnte aber (...) nachweisen, dass gewisse molekulare Reaktionen vorhanden sind, die sich im gewöhnlichen Wasserbade bei Erwärmung nicht darstellen lassen. Die Größe dieser Reaktionen ist aber unter 10 Prozent der als Joulesche Wärme auftretenden Effekte. Aus diesem Grunde steht bei Behandlungen im Kondensatorfelde der Wärmeeffekt im Vordergrund und kann auch nicht, selbst bei Anwendung schwacher Energien, ausgeschaltet werden. (...)

Durch besondere Anordnung des Feldes gelingt es sogar, innere Körperstellen zum Verkochen zu bringen, ohne dass die Haut die geringsten Verbrennungssymptome aufweist. Für bestimmte Probleme der Chirurgie eröffnen sich dadurch ungeahnte Möglichkeiten. Im Wiener Physiologischen Institut gelang so die operative Entfernung von Gehirn und Rückenmark bei Tieren ohne Eröffnung des Körpers, unblutig und ohne chirurgisches Besteck. (...)

Bisher ergaben sich bei der Behandlung eitriger Geschwüre, von Infektionen, rheumatischen Erkrankungen und anderen verblüffende Erfolge. Bei vorsichtiger therapeutischer Dosierung ist die Behandlung vollkommen ungefährlich und schmerzlos. Die therapeutische Anwendung der Kurzwellen, deren größte Wirkung im Kondensatorfeld liegt, steckt noch ganz in den Kinderschuhen, wie vor 30 Jahren die Röntgentechnik. Sie ist aber unbestreitbar auserwählt, neben Radium und Röntgenstrahlen erfolgreich die Geißeln der Menschheit zu bekämpfen. Die kulturelle Aufgabe der Radiotechnik hat sich um ein gewaltiges vergrößert. Aller Voraussicht nach dürften die Wellen unter 1 m biologisch noch weit wirksamer sein, da die organisch-molekularen Resonanzeffekte in diesem Gebiete liegen. Die bisher erreichten Energien sind jedoch noch viel zu gering, so dass eine therapeutische Anwendung noch nicht in Frage kommt.

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