Histamin im Blut und Gewebe unter dem Einfluß von Kurzwellen, Diathermie und Fango.

F. Hildebrandt
In: Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 197: 148-160, 1941 ( Leipzig )

(...) ( Es ) sind Gefäßreaktionen unter Kurzwellendurchflutungen sichergestellt. In der menschlichen Therapie treten sie eindeutig zutage, der durchflutete Bezirk zeigt eine vermehrte Blutfülle, auch subjektiv lässt sich ein intensives Wärmegefühl feststellen. Die Gefäßreaktionen zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit der Wirkung des Histamins, dem in neuerer Zeit auch eine Rolle bei der Durchströmungsregulierung der Gewebe zugesprochen wird. Es war daher verlockend einmal zu untersuchen, ob unter dem Einfluß der Kurzwellen Änderungen des Histamingehaltes im Blute und Gewebe eintreten würden. (...)
Begonnen wurde zunächst mit Versuchen an Hunden, deren Thorax oder Bein 1/2 Stunde mit Kurzwellen durchflutet wurde. (...)

Die Resultate waren nicht gleichmäßig und zwar weder in Bezug auf die Dauer, noch auf den Zeitpunkt des Eintritts der Änderung des Histamingehalts im Blute. Dabei muß allerdings berücksichtigt werden, dass bei negativ verlaufenen Versuchen die Änderung des Histamingehalts vielleicht nicht erfasst worden ist. Bei manchen Tieren trat nämlich im Anschluß an die Durchflutung eine sofortige Steigerung des Histamingehalts ( bestimmt im Gesamtblut ) auf, die ebenso schnell verschwand, wie sie eingetreten war. Es ist also gut möglich, dass in einer Reihe von Versuchen das Maximum der Steigerung überhaupt nicht erfasst wurde, weil zu dieser Zeit keine Blutentnahme erfolgte. Im einzelnen ergaben sich folgende Resultat:

Versuche mit Durchflutung des Thorax. Wir verfügen über 11 Versuche.

Tabelle1. Versuche mit Thoraxdurchflutung beim Hund. Dauer der Durchflutung 1/2 Stunde, in den mit * bezeichneten Versuchen 1 Stunde. Histamingehalt im Blute in gamma/ccm ( Anmerkung: Mikrogramm/ccm ).

Versuch Nr. Vor KW sofort 1Std. 2Std. 3Std. 4Std. 5Std. 7Std. 8Std. 22Std. 24Std.
1 0,068 - 0,50 - 0,25 - - 0,2 - - 0,02
2 0,10 - 0,04 - 0,04 - - 0,2 - 0,16 -
6 0,066 0,134 - 0,10 - 0,02 - - 0,03 - -
5 < 0,05 0,066 - 0,134 - - 0,10 - 0,066 - 0,04
3 0,06 - 0,134 - 0,166 - - 0,09 - - -
20 0,10 0,10 0,0825 - 0,086 - 0,25 - - - -
17 0,10 0,066 0,05 0,20 - 0,10 - 0,10 - - -
15 0,10 0,06 0,075 0,075 - - - 0,075 - - 0,0625
12* 0,067 0,20 0,14 0,30 0,10 - 0,075 0,075 - - -
11* 0,083 0,05 0,05 - 0,12 - 0,10 0,04 - - -
10* 0,066 0,06 0,10 0,16 0,04 - 0,08 - - - -

Wie aus der Tabelle hervorgeht, ist der Anstieg der Histaminwerte im Blute bei den einzelnen Hunden verschieden hoch und auch von verschieden langer Dauer. Auch der Eintritt des Maximums der Steigerung läßt keine Gesetzmäßigkeit erkennen. In manchen Versuchen tritt sofort im Anschluß an die Kurzwellendurchflutung eine Steigerung ein, meistens ist aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Änderung des Histamingehalts festzustellen, oder sogar eine leichte Erniedrigung. Gewöhnlich tritt das Maximum eine bis mehrere Stunden nach der Durchflutung auf und geht langsam wieder auf normale oder auch deutlich erniedrigte Werte gegenüber dem Ausgangshistamingehalt zurück. In einem Versuch ( Nr. 15 ) blieb sogar jede Steigerung aus, und es war nur eine Erniedrigung, allerdings geringfügigen Ausmaßes festzustellen. Es muß auch hier wieder hervorgehoben werden, dass uns in einem oder dem anderen Versuch das Maximum der Steigerung entgangen sein kann, weil schon aus äußeren Gründen nicht regelmäßig alle 1-Stundenwerte erfasst werden konnten, und so zumal bei nur vorübergehender Erhöhung des Histamingehalts die Steigerung in die Stunden hineingefallen sein kann, in denen gerade kein Blut entnommen wurde. Immerhin besteht kein Zweifel daran, dass im Anschluß an die Kurzwellendurchflutung, und zwar entweder sofort oder auch im Laufe der nächsten Stunden der Histamingehalt im Blute beträchtlich erhöht ist.

Versuche mit Beindurchflutung. In einer weiteren Versuchsserie wurde das Hinterbein von Hunden 1/2 Stunde lang mit Kurzwellen durchflutet.

Tabelle 2. Versuche mit Beindurchflutung beim Hund. Dauer der Durchflutung 1/2 Stunde ( in Versuch Nr. 54 3 Stunden ). Histamingehalt im Blute in gamma/ccm ( Anmerkung: Mikrogramm/ccm ). Blutentnahme aus der Vene des durchfluteten Beines.

Versuch Nr. Vor KW Während KW Nach KW
1Std. 2Std. sofort 1Std. 2Std. 3Std. 4Std. 5Std. 7Std. 22.Std.
4 0,010 - - 0,010 - < 0,010 - 0,02 - 0,06 -
22 0,01 - - 0,05 0,05 0,05 0,05 - - 0,033 0,1
21 0,30 - - 0,1 0,25 0,25 0,25 - - 0,12 -
23 0,075 - - 0,075 0,10 0,10 2,0 - - 0,05 0,063
26 0,05 - - 0,07 0,60 0,10 0,10 - 0,067 0,083 0,083
28 0,075 - - 0,083 0,043 0,033 0,037 - 0,05 0,05 0,05
29 0,075 - - 0,066 0,05 0,06 0,05 - 0,05 0,066 -
51* 0,0375 - - - 0,044 0,066 - 0,10 - 0,025 -
54 0,075 0,06 0,042 0,033 0,025 0,017 0,05 0,025 0,025 0,02 -
Histaminbestimmung nicht aus Vena fem., sondern aus Art. brach.

In einem Versuch ( Nr. 51 ) wurde das Histamin im arteriellen Blute bestimmt in Analogie zu den Durchflutungsversuchen am Thorax. Es ergab sich wieder die übliche Steigerung des Histamingehalts mit einem Maximum nach 4 Stunden. Bei den anderen Tieren wurde das Blut aus der direkt aus dem durchfluteten Gewebe stammenden Vene entnommen, und zwar deswegen, weil angenommen werden konnte, dass dieses Blut einen besonders hohen Histamingehalt aufweisen würde, da es sich noch nicht mit dem aus den nicht durchfluteten Körperpartien stammenden Blut gemischt hatte. Merkwürdigerweise waren aber die Histaminwerte in dem aus dem durchfluteten Gewebe stammenden Blut keineswegs stärker erhöht, wie aus der Tabelle 2 hervorgeht, im Gegenteil, es wurde in der überwiegenden Mehrzahl der Versuche eine nur geringe Änderung der Histaminwerte gefunden, und zwar auch in einem Versuche ( Nr. 54 ), in dem (...) die Durchflutung über den üblichen Wert von 1/2 Stunde auf 3 Stunden ausgedehnt wurde. Es besteht aber auch hier wieder die Möglichkeit, dass in den einzelnen Versuchen das Maximum der Steigerung der Histaminausschwemmung nicht erfasst wurde, weil gerade zu diesem Zeitpunkt keine Blutentnahme erfolgte. Auch muß daran gedacht werden, daß bei der Durchflutung des Thorax gerade die an Histamin so besonders reiche Lunge von den Kurzwellen erfasst wurde, und dass die Ausschwemmung von Histamin infolgedessen eine besonders starke und nachhaltige war.

Kurzwellen und Leukocyten.
(...) Am Kaninchen haben v. Oettingen und Schultze-Rhonhof wenige Minuten nach Kurzwellendurchflutung einen starken Abfall der weißen Blutzellen beobachtet, der nach 1-3 Stunden in eine Hyperleukocytose umschlug. Das Maximum wurde nach 3 Stunden erreicht, und erst nach 9-24 Stunden fanden sich wieder normale Leukocytenwerte. (...) Es war daher zunächst zu prüfen, ob auch beim Hund im Anschluß an Kurzwellendurchflutung eine Änderung der Leukocytenwerte auftritt. Dies war tatsächlich der Fall, wie aus Tabelle 3 hervorgeht.
Das Maximum der Leukocytose lag zu verschiedenen Zeiten, meistens in der Zeit zwischen der vierten und der siebenten Stunde. Auch ein Hund mit schon vorher bestehender sehr starker Leukocytose ( Nr. 25 ) ließ in diesem Zeitraum noch eine Vermehrung der abnorm hohen Leukocytenwerte erkennen. 24 Stunden nach der Kurzwellendurchflutung war die Leukocytose auf etwa die Hälfte des ursprünglichen Ausgangswertes abgesunken. In einigen Versuchen war auch eine anfängliche Abnahme der Leukocyten festzustellen. (...)

Tabelle 3. Versuche mit Durchflutung beim Hund. Dauer der Durchflutung 1/2 Stunde. Leukocytenwerte ( angegeben in 1000 ).

Versuch Nr. Vor KW Während KW Nach KW
10 Min. 20 Min. Sofort 1/2 Std. 1 Std. 2 Std. 3 Std. 5 Std. 7 Std. 8 Std. 24 Std.
24 11,6 - - 11,25 - 3,95 8,1 10,3 - 10,35 9,3 13,4
25 33,0 - - 36,4 - 35,9 37,3 39,25 - 40,0 37,4 18,4
27 6,85 6,9 6,9 9,2 8,0 8,15 10,3 11,0 11,35 8,2 7,9 11,1
30 12,4 11,6 11,9 11,8 11,8 10,3 14,5 13,3 16,5 15,7 13,9 +
31 7,05 7,0 7,3 9,1 8,8 12,65 16,85 17,45 11,65 13,4 11,2 -
32 8,8 9,4 10,6 10,3 8,0 8,6 8,2 8,7 8,45 8,35 8,7 -

(...) Ebenso wie die Kurzwellen bewirkt auch die Diathermie eine starke Erwärmung des Gewebes, wenn auch dieselbe mehr die oberen Schichten betrifft. Es war daher zu prüfen, ob die gleichen oder ähnliche Änderungen im Histamingehalt des Blutes auch nach Diathermie auftreten würden. (...) Die Elektroden wurden 1/2 Stunde lang in der Gegend des unteren Thorax am Hund angelegt. Das Blut wurde wie üblich zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Behandlung aus der Femoralvene entnommen.
Die Versuche Nr. 7, 8 und 9 der Tabelle ergeben, dass auch die Diathermie die Bluthistaminwerte beeinflusst. Es kommt auch hier zu einem Maximum, das aber ebenso wie bei den Kurzwellenversuchen nicht ganz gleichmäßig liegt. Im ersten Versuch ( Nr. 7 ) war die Hauptsteigerung nach 4 Stunden erreicht, in den beiden anderen nach 7 Stunden. Bei Versuch Nr. 8 war auch nach 24 Stunden noch der gleiche Höchstwert festzustellen, während im Versuch Nr. 9 zu diesem Zeitpunkt nurmehr eine geringe Erhöhung über den Ausgangswert nachzuweisen war. (...)

Tabelle7. Versuche mit Diathermie beim Hund (...). Diathermie1/2 Stunde, Platten am Thorax angelegt. Histamingehalt im Blut in gamma/ccm ( Anmerkung: Mikrogramm/ccm )

Versuch Nr. Vor Diathermie Nach Diathermie
sofort 1Std. 2 Std. 4 Std. 7 Std. 24 Std. 48 Std.
7 0,15 0,134 - 0,08 0,25 0,06 0,134 -
8 0,10 0,10 - 0,08 0,146 0,20 0,20 -
9 0,06 0,80 - 0,60 0,06 0,20 0,10 -

(...)

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