Über Tiefenwirkung und elektive Gewebswirkung kurzer elektrischer Wellen

Erwin Schliephake
Strahlenther. 38 ( 1930 ), pp.655-664

(S. 662f) Sehr naheliegend ist (...) die Frage, wie Mikroorganismen, insbesondere pathogene Bakterien, auf die Einwirkung des Kurzwellenfeldes reagieren, ob eine Schädigung überhaupt zu erreichen ist, und ob dabei die Wellenlänge einen Einfluß hat. Mit Haase zusammen habe ich zahlreiche Versuche in dieser Richtung unternommen, und zwar hauptsächlich mit Tuberkelbazillen und Staphylokokken, doch wurden auch verschiedene andere Arten untersucht.

Bei den Tuberkelbazillen konnte durch Einwirkung des Kondensatorfeldes von 1/2 bis 3/4 Stunde Dauer eine deutliche Verringerung der Wachstumstendenz erreicht werden. Kulturen, von denen unbestrahlte Kontrollabimpfungen schon nach 6 Tagen auswuchsen, zeigten nach der Bestrahlung eine Hemmung des Wachstums bis zu 18-20 Tagen. Dies ließ sich nicht nur im Reagenzglas erreichen, sondern wir haben solche Kulturen auch ins Innere von Leichenteilen ( z.B. Mark von Röhrenknochen ) hineingebracht und sahen bei diesen die gleichen Schädigungen. Bei Staphylokokken ließ sich bei gewöhnlicher Körpertemperatur völliges Absterben erreichen, wenn auch erst im Verlauf einiger Stunden. Um das Verfahren abzukürzen, untersuchten wir deshalb nach dem Vorschlag von Haase die Absterbegeschwindigkeit der Kulturen bei verschiedenen Wärmegraden und konnten zeigen, daß die Keime im Kondensatorfeld bedeutend schneller abstarben als die Kontrollen, die im Wasserbad auf der gleichen Temperatur gehalten waren.

Weitere Versuche wurden unter Beibehaltung der gleichen Anordnung, aber mit Änderung der Wellenlänge durchgeführt. Die Geschwindigkeit des Absterbens war je nach der Wellenlänge ganz verschieden, und zwar lässt sich bis jetzt in großen Zügen sagen, daß die Wellenlänge unter 5 m starke Wirkungen zeigten; bei Verlängerung der Welle dauerte das Absterben länger und ging am langsamsten bei 7-10 m vor sich; die mit Wellenlängen von 15-20 m behandelten Kokken starben dann wieder ganz besonders rasch ab. Leider konnten wir aus technischen Gründen über 20 m lange Wellen nicht anwenden; es erscheint also nicht ausgeschlossen, daß das Optimum der Wirkung auf Staphylokokken sogar noch oberhalb dieser Wellenlänge zu suchen ist.

Ebenso hat sich bei Tuberkelbazillen eine Abhängigkeit der Wirkung von der Wellenlänge ergeben; die Verzögerung, welche das Auswachsen der Kulturen durch die Bestrahlung erlitt, war bei den einzelnen Wellenlängen ganz verschieden. In unseren bei Zimmertemperatur durchgeführten Versuchen ergab sich die stärkste Wachstumshemmung bei Wellenlängen von etwa 4,50 m, dann bei 105 m, während die Schädigung der Bazillen durch andere Wellenlängen viel geringer war. Bei 35 m Wellenlänge ergab sich beispielsweise kein Unterschied im Wachstum der bestrahlten und der unbestrahlten Kulturen. Leider lassen sich die von uns gefundenen Werte nicht als absolut verwerten, da erstens die nicht ganz konstante Ausgangstemperatur bei der Bestrahlung wegen ihres Einflusses auf die Leitfähigkeit eine Fehlerquelle bildet, zweitens zur Zeit der Durchführung unserer Tuberkelbazillenversuche ein Konstanthalten der Feldstärke nicht möglich war.

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