Kosmisch-physikalische Störungen der Ionosphäre, Troposphäre und Biosphäre

B.Düll; T.Düll
In: Bioklimatische Beiblätter der Meteorologischen Zeitschrift, Band 6 Heft 2, S. 65ff, Braunschweig 1939

(S. 72) ( Die ) Ionosphäre ( ist ) der Ort für die Entstehung und Ausbreitung von Strahlungen (...), die den Erdboden erreichen, ja bis in die Wohnräume des Menschen eindringen und die bei der Suche nach dem die sogenannte "Wetterfühligkeit"" in ihren leichtesten und schwersten Formen hervorrufenden "Agens" unbedingt mitberücksichtigt werden müssen. Wir betrachten zunächst die unter den mehr oder weniger unglücklich gewählten Bezeichnungen "atmosphärische Störungen", "Luftstörungen", "Hoch- und Niederfrequenzschauer", "elektrische Parasiten" ( "atmospherics", "statics", "atmospériques", "parasites" ) usw. in die Literatur eingegangenen, sehr schnellen ruckartigen Schwankungen des elektromagnetischen Feldes der Erde, die einzeln und in Gruppen auftreten können und deren Reichweite oft erstaunlich groß ist. So traten bei Versuchen, die vor etwa 15 Jahren vom Telegraphentechnischen Reichsamt ausgeführt wurden, an zwei Orten, die 580 km voneinander entfernt waren ( Strelitz und Gräfelfing bei München ), 98% einer bestimmten Störungsart gleichzeitig auf. An zwei Orten, deren Abstand 6400 km betrug ( Strelitz - Riverhead ( USA )), ließen sich immerhin noch ein größerer Teil dieser Störungen identifizieren. Die Dauer der am häufigsten beobachteten Einzelstörungen beträgt ungefähr 100 bis 150 Mikrosekunden, die ganzer Gruppen bis zu 50 000 Mikrosekunden. Haben diese Störungen einen periodischen oder quasiperiodischen Verlauf, so liegt die Frequenz meist zwischen 5000 und 10 000 Hertz pro Sekunde.

Die am häufigsten gemessene Amplitude der Störung beträgt 0,25 bis 0,50 Volt pro Meter, kann aber auch weit höhere Werte annehmen. Die Steilheit der Wellenfront kann bei diesen Störungen zwischen 5 und 200 Millivolt pro Meter und Mikrosekunde liegen. Da alle derartigen Feldstörungen eine Antenne zu Schwingungen anregen, können sie durch einen angeschlossenen Empfänger verstärkt, gleichgerichtet und im Lautsprecher hörbar gemacht werden. Dem Ton entsprechend, den sie dann hervorbringen, werden sie als Knall- und Knackstörungen ( "clicks" ) bezeichnet, wenn es sich um Einzelstörungen handelt, als Krach-, Kratz-, Rassel- und Brodelstörungen ( "crashes", "scratchings", "rattlings", "grinders" ), wenn es sich um Gruppenstörungen handelt. Daneben gibt es noch niederfrequente "Pfeif- oder Pioutöne" ( "tweeks", "whistlers" ), die eine Dauer von Bruchteilen einer Sekunde bis zu mehreren Sekunden haben können. Für ihre Aufzeichnung stehen hochentwickelte Apparaturen zur Verfügung, wir erwähnen nur die Feder-, Saiten- und Kathodenstrahloszillographen, die Impulsschreiber und die Röhrenvoltmeter.

Als Ursache der "elektrischen Parasiten" ( wie wir die hoch- und niederfrequenten Störungen des elektromagnetischen Feldes der Erde der Kürze halber hier nennen wollen ) kann man nicht einfach nur Blitze annehmen, sondern muß ihre Mehrzahl auf Einbrüche solarer elektrischer Teilchen in die höchsten Schichten der Erdatmosphäre und auf Wiedervereinigungsvorgänge zwischen Ladungsträgern entgegengesetzten Vorzeichens in der Ionosphäre zurückführen. Für die Richtigkeit dieser Anschauung sprechen alle neueren Beobachtungen und Untersuchungen. Nach R.A. Watson-Watt steigt bei stärkeren Änderungen der Vertikalintensität des erdmagnetischen Feldes ( die ihrerseits im engsten Zusammenhang mit Vorgängen in der Ionosphäre stehen ), die Stärke der auf einer Wellenlänge von etwa 20 000 m beobachteten Parasiten plötzlich auf den doppelten bis vierfachen Wert an. (...)

(S.75) Für den Bioklimatologen ist nun besonders wissenswert, dass zwei ganz bestimmte Arten von "elektrischen Parasiten", nämlich die "clicks" und vor allem die "Pfeif- und Pioutöne" nach T.L. Ekkersley an Tagen mit erdmagnetischen Störungen ganz erheblich häufiger auftreten als an magnetisch ruhigen Tagen ( "...whistlers are definitely associated with magnetic storms. That is to say, the frequency of occurence of these is enormously greater on magnetically disturbed days than on quiet days..." ).Diese Parasiten können so kräftig sein, daß sie eine Nachrichtenübermittlung, bei der die Erdkruste als übertragendes Medium benutzt wird, zeitweise unmöglich machen ( M. Seddig ). Daß sie irgendwie auch auf biologisches Geschehen einwirken können, ist nicht unmöglich, Untersuchungen darüber stehen noch aus.

Bioklimatisch wichtig sind vielleicht auch die "erdmagnetischen Elementarwellen", die u.a. auch Perioden in der Größenordnung von 1/10 Sekunde, also in einem Frequenzbereich besitzen, der außerordentlich charakteristisch ist für die elektrischen Aktionsströme des Gehirns ( H. Berger ) und der Muskeln ( F. Sauerbruch und W.O. Schumann ). (...) Ebenso wie die Variationen und Störungen des erdmagnetischen Feldes stehen auch die Polarlichter ihrer Art, Häufigkeit, Helligkeit und geographischen Verteilung nach in sehr enger Beziehung zur eruptiven Sonnentätigkeit und zum jeweiligen Zustand der Ionosphäre. Während eines 7monatigen ( Winter- ) Aufenthalts auf der direkt in der Nordlichtzone gelegenen Insel Island wurde uns wiederholt von dänischen Kapitänen und isländischen Fischern berichtet, dass sie an Tagen mit besonders starken Nordlichtern eine deutliche Verschlimmerung ihrer gichtischen und rheumatischen Beschwerden wahrnehmen. An unserer isländischen Umgebung fiel uns an solchen Tagen eine deutliche Steigerung gewisser psychischer und nervöser ( spastischer) Beschwerden auf. Selbstverständlich möchten wir auch diese Mitteilungen und Beobachtungen nur als Anregung zu einer objektiven Beweisführung aufgefasst wissen, keinesfalls aber als Beweis selbst. Wichtig scheint uns zu sein, dass auch beim Auftreten von starken Polarlichtern eine besondere Art von "elektrischen Parasiten", die "aurora statics" ( H. Jelstrup ) beobachtet werden.

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