Versuche über Beeinflussung des Blutzuckerspiegels durch kurze elektrische Wellen

E. Schliephake; E. Weissenberg
In: Wiener Klinische Wochenschrift 18: 560-561, 1932

Bei Besendung von Tieren und Menschen mit kurzen elektrischen Wellen wurde schon früher gelegentlich eine Änderung des Zuckergehaltes im Blut beobachtet ( Pflomm ). Unsere Versuche sind zum Zweck einer allgemeinen Orientierung auf diesem Gebiete vorgenommen. Sie behandeln die Frage, wie sich örtliche Besendungen von Organen auswirken, deren Einfluß auf die Blutzuckerregulation bekannt ist. Zur Erzeugung der kurzen elektrischen Wellen dient ein Elektronenröhrensender in Esauscher Schaltung mit 1,5 KW Gesamtleistung. Die Wellenlänge war bei den Tierversuchen auf 3,40 m eingestellt; bei den Untersuchungen am Menschen betrug sie 15 m; es handelt sich um Patienten, die schon aus therapeutischen Gründen besendet wurden.

Der zu besendende Körperteil wurde zwischen die Kondensatorplatten eines geschlossenen Schwingungskreises gebracht, der mit dem Sender induktiv gekoppelt war. Der Abstand der Platten von der Körperoberfläche betrug 2 cm, da nach Schliephake der Abstand zwischen Elektroden und Hautoberfläche die Tiefenwirkung wesentlich bestimmt. Zur Festlegung dieses Abstandes dienen "Elektrodenschuhe" aus Glas, die zugleich das Objekt leicht komprimieren.
Der Zuckergehalt des Blutes vor und nach der Besendung wurde nach Hagedorn-Jensen bestimmt.
Aus äußeren Gründen mussten wir Kaninchen als Versuchstiere nehmen. Da gerade bei diesen Tieren der Blutzuckerspiegel besonders labil ist, haben wir Leerversuche ausgeführt und die erhaltenen Ergebnisse wiederholt auf ihre Reproduzierbarkeit geprüft. Die Tiere erhielten ihre letzte Nahrung 12 Stunden vor der Besendung und blieben während der gesamten Versuchsdauer nüchtern.

Versuche
Bei einem Teil der Tiere wurde der hintere Teil des Schädels besendet, bei einem zweiten Teil die Pankreasgegend; bei einer dritten Gruppe wurden zur Kontrolle die Beckengegend und die unteren Extremitäten besendet, während ein vierter Teil nur aufgebunden, aber nicht behandelt wurde.
Bei der ersten Abteilung wurden die Elektroden, die eine Größe von 2:10 cm hatten, zu beiden Seiten in der Weise angelegt, daß das elektrische Feld Hinterhirn und Rückenmark bandförmig quer von einer zur anderen Seite durchsetzte. Die Tiere waren auf dem Rücken liegend mit weit nach rückwärts gebogenem Kopf auf einem Gipsbett ( nach Haase ) fixiert. Die Besendungsdauer betrug im allgemeinen 5 Minuten.

Zur Besendung der Pankreasgegend befestigten wir die Kaninchen auf einem der üblichen Spannbretter auf der Seite liegend und stellten das Kondensatorfeld in dorso-ventraler Richtung ( Anmerkung: also von der Rückenseite zur Vorderseite, M.B. ) ein. Bei dieser Anordnung lässt sich nicht vermeiden, daß auch Teile benachbarter Organe mitbesendet werden. Gewöhnlich wurde 5 Minuten lang besendet; nur in einzelnen Versuchen wurde die Dauer bis 14 Minuten mit Unterbrechungen in der Weise ausgedehnt, daß 7mal je 2 Minuten lang behandelt und 2 Minuten Pause gemacht wurde.
Da das notwendige Festbinden, zumal in einer für Tiere unnatürlichen Lage, den Blutzucker schon an sich beeinflussen kann, wurden die Blutzuckerwerte auch bei einem Tier bestimmt, das lediglich 2 1/2 Stunden lang auf dem Rücken liegend mit zurückgebundenem Kopf aufgebunden war.
Die Besendung des Beckens und der Oberschenkel geschah mit den gleichen Elektroden und in der gleichen Lage der Tiere so, daß das Feld quer durch den Körper hindurchging. Die Ergebnisse sind in Abb. 1 in Kurvenform wiedergegeben. Jede Kurve stellt einen Mittelwert aus mehreren gleichen Versuchsergebnissen dar.

Beim Vergleich ist besonders auffällig der steile und hohe Anstieg der nach Gehirnbesendung erhaltenen Werte. Meistens wird schon nach wenigen Minuten das Doppelte des Ausgangswertes und mehr erreicht. Der Abfall ist weniger steil und geht innerhalb von etwa vier Stunden oft bis tief unter den Ausgangswert, um dann in den folgenden acht Stunden wieder anzusteigen. Von da ab fällt die Kurve, entsprechend dem Hungerzustand der Tiere, allmählich wieder ab. Der Einfluß der Gehirnbesendung auf den Blutzuckerspiegel lässt sich somit 12 bis 14 Stunden hindurch deutlich erkennen.

Die nach Pankreasbesendung erhaltene Kurve steigt zunächst gleichfalls an, jedoch weder so steil, noch so hoch wie nach Gehirnbesendung; ebenso ist der Abfall viel allmählicher und schwächer, dafür aber nachhaltiger. Es wird nur durch eine geringe Schwankung nach oben in der siebenten bis achten Stunde unterbrochen. Die erkennbare Nachwirkung der Pankreasbesendung schwankt in weiten Grenzen zwischen 12 bis 30 Stunden. Bei Besendung von 14 Minuten Dauer mit Pausen von zwei zu zwei Minuten ergibt sich im wesentlichen der gleiche Verlauf.

Bei Besendung des Beckens und der Beine ergeben sich nur geringe Schwankungen. Die Kurve steigt zu Beginn etwas an und fällt dann innerhalb von acht Stunden ganz langsam ab. In den nächsten zwei Stunden überschreitet sie nochmals den Ausgangswert um ein geringes, um weiterhin gleichmäßig abzusinken. Auch hierbei ist eine gewisse Nachwirkung der Besendung etwa 12 bis 14 Stunden lang nachweisbar. Bei Versuchen an Menschen, insbesondere Diabetiker, erhielten wir ähnliche Ergebnisse, doch soll erst dann darüber berichtet werden, bis ( Anmerkung: es muß natürlich heißen: "wenn". M.B. ) wir genügen Material hierfür gesammelt haben werden.

Die vorliegenden Ergebnisse sprechen durchaus dafür, daß sich die Blutzuckerregulierung durch Besendung bestimmter Körperteile und Organe verschieden beeinflussen lässt. Der Erfolg der Besendung der Oberbauchgegend mit dem allmählichen und spät eintretenden Abfall des Blutzuckers lässt an eine erhöhte Insulinabsonderung denken. Die Ergebnisse der Gehirnbesendung sprechen dagegen für eine Beeinflussung zenralnervöser Regulationen. Sie sind interessant auch im Hinblick auf die Beobachtungen von Schliephake über Störungen der Wärme- und Atmungsregulation nach Besendung des Gehirns und der Medulla oblongata ( Anmerkung: verlängertes Rückenmark, Übergang zwischen Rückenmark und Gehirn M.B. ), die übrigens der Anlaß zu den hier beschriebenen Untersuchungen gewesen sind.

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