Über die biologische Wirkung der kurzen Wellen

G. Izar; P. Moretti
In: Klinische Wochenschrift 13, Nr. 21, 1934, S.771ff

(...) Nach der Mehrzahl der Autoren sind die besonderen biologischen Eigenschaften dieser Wellen an die elektrischen Schwingungen gebunden, ohne irgendeinen Wärmeeffekt in Betrachtung zu ziehen. Diese besondere Wirkung wird Schwingungswirkung oder auch Vibrationseffekt genannt. Sie wurde schon von Arsonval in der Hochfrequenz geklärt, indem er mit Charrin, Bonomo, Vincla, Vascini, Dubois und Phisalix bewies, dass durch Hochfrequenzwirkung der Pyocyaneusbacillus abgeschwächt wird und seine chromogenen Eigenschaften verliert; daß das Diphterietoxin unwirksam wird, während es trotzdem seine Immunitätseigenschaften behält; dass die toxische Wirkung des Kobragiftes herabgesetzt wird. Gleichzeitig spricht Arsonval auch von einer ausgesprochen schmerzstillenden und tonusvermindernden Wirkung

Ähnlich fanden Schliephake und Haase eine bakterientötende Wirkung der kurzen Wellen ( KW. ) auf den Staphylococcus albus; Seidel sterilisierte Milch und Nahrungsmittel; Esau verhinderte das Wachstum der Tuberkelbacillen in infizierten Mäusen mit der Wellenlänge 2 m, (...) während Mellon, Szymanowski und Hicks das Diphterievirus abschwächten; Schliephake ( bestätigt durch Pflomm ) spricht von spezifischer Wirkung auf Karbunkel und Furunkel, und Raab konnte prompte Heilwirkung auch in akuten gynäkologischen Leiden erzielen. Schliephake und Compere fanden in unlängst ausgeführten Versuchen eine Verminderung der Oberflächenspannung in den mit KW. behandelten Kolloiden, eine Beschleunigung der Sedimentierungsgeschwindigkeit und eine Erhöhung des globulären Widerstandes im behandelten Blute.

Diese Versuche leiden alle an dem Fehler, dass eine Trennung der Wärmewirkung von dem elektromagnetischen Schwingungseffekt und die Bestimmung der resp. Koeffizienten undurchführbar ist.

Interessanter sind die Versuche von Carpenter, kontrolliert von Levaditi, Halphen, Auclair und Vaisman: in 50 % der mit syphilitischem Virus infizierten und mit Kurzwellen bestrahlten Kaninchen beobachtete man nicht nur das Ausbleiben jeglicher Syphilombildung, sondern es erwiesen sich sogar die Lymphdrüsen in der nächsten Umgebung als steril. Sehr wenig weiß man hingegen von der biologischen Wirkung dieser kurzen Wellen in vivo und hauptsächlich im Menschen.

V. Öttingen und Schultze-Rhonhof bemerkten in den in ein kurzwelliges Feld gebrachten Kaninchen Zerfall der roten Blutkörperchen und Leukozytose; Pflomm eine verlangsamte Koagulationsgeschwindigkeit bei Ratten; Schliephake und Noelle ein unregelmäßiges Verhalten der Erythrocyten des Menschen; Pflomm beobachtet eine Vermehrung des Blutzuckers, während die gleichzeitige Reaktion des Blutserums in eine saure übergeht. In einer Reihe von Mitteilungen, die in verschiedenen italienischen Zeitschriften erschienen sind, haben wir die Ergebnisse unserer Forschungen mitgeteilt, die wir mit dem Kurzwellenapparat der Fa. Siemens ausführten; Dieser Apparat erlaubt es, mit Wellenlängen von 4-8-15 m und vollkommener Resonanz zu arbeiten.

Indem wir die Ergebnisse unserer Versuche an lebenden und toten Tieren kurz zusammenfassen, können wir folgendes feststellen:

1. Die Bestrahlung der Nierengegend während 20 Min. mit Wellenlänge 4 und 15 m hat keinen Einfluß auf den Harnstoffgehalt des kreisenden Blutes, indessen wird der besagte Harnstoffgehalt durch eine 20 Min. dauernde Bestrahlung mit Wellenlänge 8 m ohne weiteres herabgesetzt; dieser Verminderung des Blutharnstoffs entspricht keine Erhöhung des Urinharnstoffs. (...)

3. Die Behandlung der Leber-Pankreas-Gegend bei Menschen, deren blutbildendes System frei von Verletzungen war, mit Wellenlänge 8 m während 20 Min., ruft in der Mehrzahl der Fälle eine Herabsetzung der roten Blutkörperchen, zusammen mit Leukocytose und Lymphocytose, hervor; diese zahlenmäßigen Unterschiede sind aber nur von kurzer Dauer.

4. (...) Bac. paratyphicus A, welcher durch Bestrahlung von 20 Min. mit Wellenlänge 8 und 15 m in seiner Entwicklung gar nicht beeinflusst wird, erleidet eine Beeinflussung durch die Bestrahlung mit Wellenlänge 4 m, denn die Aussaaten in Agaragar der Bouillonkulturen wachsen kaum oder gar nicht nach einer Bestrahlung mit Wellenlänge 4 m. Aber der Bangsche Bacillus zeigt keine Veränderung bei einer Bestrahlung mit Wellenlänge 15 m, wird dagegen in seinen Stämmen von Wellenlänge 4 und 8 m verschiedenartig beeinflusst: so z.B. wird Stamm T gar nicht von der Bestrahlung mit Wellenlänge 4 m beeinflusst; hingegen wird Stamm R, ebenfalls unberührt von Wellenlänge 8 m, durch Bestrahlung mit Wellenlänge 4 m abgetötet. Endlich haben alle drei von uns geprüften Stämme von Micrococcus Brucei sich in der Bestrahlung mit KW. in gleicher Weise verhalten: indifferent gegenüber Wellenlänge 15 m werden sie abgetötet von Wellenlänge 8 und 4 m.

5. Frisches Menschenserum, welches Typhusbacillen und Micrococ. Brucei agglutiniert, verliert nach 20 Min. langer Bestrahlung mit 15 m Wellenlänge nichts von seiner Agglutinierfähigkeit, während dasselbe Serum, 20 Min. lang mit 4 und 8 m Wellenlänge ( bestrahlt, ) in der Mehrzahl der Fälle seine Agglutinierbarkeit fast völlig oder ganz verliert.

6. Die Bestrahlung eines syphilitischen Serums während 20 Min. und mit 4-8-15 m Wellenlänge ändert nichts an seiner spezifischen antikomplementären Wirksamkeit, während dieselbe Behandlung eine Steigerung der unspezifischen antikomplementären Wirksamkeit hervorruft, gleichgültig ob das Serum von einem Individuum mit positiver oder mit negativer WaR. stammt. Die erwähnte Steigerung der unspezifischen antikomplementären Wirksamkeit ist, innerhalb der von uns studierten Wellenlängen, der Wellenlänge umgekehrt proportional: am größten für 4 m, am kleinsten für 15 m Wellenlänge.

7. Die 20 Min. dauernde Bestrahlung mit 4-8 m Wellenlänge hat keinen Einfluß auf den Komplementwert von Meerschweinchenserum, während dieselbe Bestrahlung, aber mit 15 m Wellenlänge, scheinbar die Komplementwirkung des Serums erhöht.

8. Die Bestrahlung während 15-30-45 Min. mit 4 und 15 m Wellenlänge zeigt keine Einwirkung auf die proteolytische Wirksamkeit einer Pepsinlösung, während die genannte Wirksamkeit derselben Lösung durch 15 Min. lange Bestrahlung mit 8 m Wellenlänge gesteigert wird. Diese Steigerung wird noch deutlicher, wenn man die Bestrahlung auf 30-45 Min. ausdehnt.

9. Die 45 Min. lange Bestrahlung ( in 3 Sitzungen, an abwechselnden Tagen, zwischendurch erfolgt die Impfung mit Antigen ) steigert sehr deutlich die Bildung von agglutinierenden Substanzen in den immunisierten Tieren. Dieser Effekt ist jedoch viel stärker in den mit 15 m Wellenlänge bestrahlten Tieren als in solchen, die mit 8 m bestrahlt wurden; vielleicht im Zusammenhang mit der allgemein schädlichen Wirkung dieser Wellenlänge auf den Meerschweinchenorganismus, welche auch durch den Tod von fast der Hälfte der Versuchstiere zutage tritt.

10. Die 45 Min. lange Bestrahlung mit 15 m Wellenlänge ( in 3 Sitzungen an abwechselnden Tagen, zwischendurch erfolgte die Antigenbehandlung ) steigert in deutlichster Weise die Bildung von spezifischen Präcipitkinen nur bei immunisierten Tieren. (...)
Die Bestrahlung mit Wellenlängen 4-8-15 m steigert in deutlicher Weise die katalytische Wirksamkeit des kolloidalen Kupfers ( Elektrocupol Clin ) bezüglich der Zersetzung H2O2. Wellenlängen zwischen 4 und 15 m beeinflussen in verschiedener Weise die katalytische Wirksamkeit des Kolloids: es scheint aber, dass die kürzeren Wellenlängen größere Wirksamkeit entfalten.

Die Bestrahlungsdauer beeinflusst in wechselndem Maße diese besondere begünstigende Wirkung: aus unseren Versuchen geht jedoch eine scheinbar paradoxe Erscheinung hervor, nämlich dass die 40 Min. lange Bestrahlung eine geringere katalytische Wirksamkeit auslöst, als eine solche von nicht nur 60 Min., sondern auch von 20 Min.: diese zeitlichen Wirkungsunterschiede wiederholen sich für alle drei untersuchten Wellenlängen. (...) Es darf (...) als bewiesen gelten, dass die anorganischen, nach der Bredigschen Methode hergestellten Kolloide durch eine Kurzwellenbesendung eine Steigerung ihrer katalytischen Wirksamkeit erfahren können.

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