Holographic Assessment of a Hypothesized Microwave Hearing Mechanism
Allen H. Frey; Elaine Coren
In: Science, vol. 206, October 1979, pp 232-234

Holographische Bewertung eines vorgeschlagenen Entstehungsmechanismus für das Hören von Mikrowellen

Zusammenfassung
Bestrahlung des Kopfes mit pulsmodulierten Mikrowellen verursacht die Wahrnehmung eines Geräusches. Es wurde die Hypothese aufgestellt, daß die elektromagnetische Energie im Schädel in akustische umgewandelt und diese dann durch den Knochen weitergeleitet wird. Dynamische zeitgemittelte interferometrische Holographie hat gezeigt, daß die vorhergesagte Bewegung des Kopfgewebes nicht stattfand. Ein alternativer Entstehungsort für diesen Höreffekt wird vorgeschlagen.

Eine Person die pulsmodulierter Mikrowellenenergie ausgesetzt ist kann den Effekt des Mikrowellenhörens als ein Geräusch wahrnehmen, zum Beispiel als Summen. Der Mechanismus für diese Wahrnehmung ist unbekannt, auch wenn es nicht scheint, daß sie im Gehirn entsteht.
Foster und Finch sowie Chou et al. sind zu der Schlussfolgerung gekommen, daß die elektromagnetische Energie durch thermoakustische Ausdehnung im Muskel oder Knochen des Schädels in akustische umgewandelt wird. Bei dem von ihnen vorgeschlagenen Mechanismus würde die thermoakustische Ausdehnung akustische Wellen hervorrufen, die durch Fortleitung im Knochen zum Trommelfell und ins Mittelohr gelangen. (...)
Die Hypothese der thermoakustischen Ausdehnung und Weiterleitung durch den Knochen ist attraktiv wegen ihrer offensichtlichen Einfachheit und weil sie auf einem gut bekannten physikalischen Vorgang beruht. (...)

In dem hier beschriebenen Versuch haben wir durch die Verwendung von dynamischer zeitgemittelter interferometrischer Holographie versucht, die vorhergesagte Bewegung in Haaren, Haut, Muskel, Knochen und Gehirn von Ratte und Meerschweinchen zu finden. Dieses anerkannte zerstörungsfreie Untersuchungsverfahren wird üblicherweise in der Erforschung akustischer Wellen in Materialien verwendet. (...)

Die Technik der dynamischen zeitgemittelten interferometrischen Holographie besteht darin, eine einzige holographische Aufzeichnung eines Gegenstandes zu machen, in dem Schwingungsbewegungen hervorgerufen wurden. Dazu muß die Aufzeichnungszeit für das Hologramm im Vergleich zu der Periode der Schwingung lang sein. Das Hologramm speichert effektiv eine Anordnung von Daten, die den zeitlichen Durchschnitt aller Positionen des vibrierenden Gegenstandes repräsentiert. An den Stellen an denen die Bewegung des Objektes den Wert null hat, ist das rekonstruierte Bild am hellsten. Stellen des Gegenstandes die in Bewegung sind, sind im holographischen Bild dunkel oder schwarz. Diese Technik liefert Informationen über die Stärke von Schwingungen und über die Orte der stärksten Schwingungen. Sie ist bei nicht sinusförmigen Bewegungen anwendbar. Die Empfindlichkeit für Bewegungen beträgt 0,06 Mikrometer. (...)

Das Tier wurde mit dem Bauch auf eine Oberfläche aus Eccosorb FR-340 Absorptionsmaterial für Mikrowellenenergie gelegt, die sich auf einem Sperrholztisch befand. Dieser Tisch war so konstruiert, daß er schwingungsfrei war. Bei einigen Versuchen wurde das Material zur Mikrowellenabsorption durch einen Zementblock ersetzt. Die Mikrowellenergie wurde von einem gepulsten Triodensender geliefert und mit Hilfe eines Hornstrahlers, der sich über dem Tisch befand, in Richtung auf die Oberfläche des Tisches abgestrahlt. (...)
Die kodierten Hologramme wurden von zwei Personen ausgewertet, die nicht über die Versuchsbedingungen der jeweiligen Aufnahme informiert waren. (...)

Zwei Reihen von physiologischen Untersuchungen wurden durchgeführt, die eine mit Meerschweinchen, die andere mit Ratten. Die Tiere wurden nicht gleichzeitig sondern eins nach dem andern verwendet, wobei jeweils auch Kontrollaufnahmen des gleichen Tieres gemacht wurden. Wegen der Empfindlichkeit des holographischen Messverfahrens wurde allen Tieren eine Überdosis Natriumpentobarbital in die Bauchhöhle gespritzt und die Haare an der untersuchten Stelle entfernt. Der Versuch begann sofort nachdem kein Herzschlag und keine Atmung mehr festgestellt werden konnte.

Bei jedem Tier wurde eine Serie von 30 holographischen Aufnahmen gemacht. Die Hälfte dieser Aufnahmen fand während der Bestrahlung mit Mikrowellenenergie statt. Die andere Hälfte wurde bei Scheinbestrahlungen durchgeführt, bei denen alle Geräte eingeschaltet waren, aber keine Leistung abgestrahlt wurde. Sechs Aufnahmen wurden vom Kopfbereich des Tieres gemacht, wobei die Haare an der Rückseite des Kopfes und in der Nähe der linken Ohrmuschel entfernt worden waren. Auf diese Weise konnten sowohl die Haut als auch die Haare untersucht werden. Drei der zeitgemittelten Holographien wurden während der Scheinbestrahlung und drei während der tatsächlichen Bestrahlung mit Mikrowellenenergie aufgenommen. Bestrahlung und Scheinbestrahlung wechselten sich jeweils ab. Die Haut der Rückseite des Kopfes und die Ohrmuschel wurden entfernt und sechs holographische Aufnahmen der Muskulatur gemacht. Das Muskelgewebe an der Rückseite des Kopfes und hinter dem Ohr wurde entfernt und es wurden sechs holographische Aufnahmen des Schädels gemacht. Die Rückseite des Schädels wurde entfernt und sechs holographische Aufnahmen des Gehirns wurden gemacht. Die letzten sechs holographischen Aufnahmen wurden nach der Entfernung des Gehirns aus dem Schädel vom Boden des Hohlraumes (...) gemacht.

In Versuch 1 wurden zehn Sprague-Dawley Ratten ( 350 bis 400 g ) verwendet. Die Trägerfrequenz der Mikrowellenenergie betrug 1,275 GHz, die Pulslänge 25 Mikrosekunden und die Pulswiderholrate 50 Pulse pro Sekunde. Die einfallende Spitzenleistung betrug 1700 Milliwatt pro Quadratzentimeter. Bei fünf Tieren wurde eine zusätzliche Reihe von Aufnahmen mit einer Pulswiederholrate von 100 Pulsen pro Sekunde von jeder Gewebelage, angefangen bei den Muskeln, gemacht. (...)

In Versuch 2 verwendeten wir 16 ausgewachsene männliche Meerschweinchen, von denen acht bei einer Frequenz von 1,1 GHz untersucht wurden. Verwendet wurde jede mögliche Kombination zwischen den beiden Spitzenleistungen 1250 und 8500 Milliwatt pro Quadratzentimeter, den Pulslängen 10 und 20 Mikrosekunden und der Pulswiederholrate 25 und 50 Pulse pro Sekunde. Die übrigen acht Tiere wurden bei der Frequenz 1,2 GHz untersucht. Man hat herausgefunden, daß diese Frequenzen im optimalen Bereich für die Entstehung des Radiofrequenzhörens liegen. Nach dem Entwickeln und der Auswertung der Hologramme der ersten drei Tiere mit der Leistung von 8500 Milliwatt pro Quadratzentimeter zeigte sich, daß der Mikrowellenabsorber auf dem die Tiere lagen, durch die Mikrowellenpulse bewegt wurde. (...)
Aus diesem Grund führten wir die Versuche mit der höchsten Leistung bei den verbleibenden Tieren durch, indem wir sie auf einen Zementblock legten, der das Mikrowellenfeld nicht deutlich beeinflusste. (...)

Die holographischen Aufnahmen eines jeden Tieres während der Bestrahlung mit Mikrowellenenergie wurden gekennzeichnet und, ohne daß die bewertende Person über die Versuchsbedingungen informiert war, mit den Aufnahmen des selben Tieres bei der Scheinbestrahlung verglichen. Bei beiden Versuchen wurde bei keinem Tier und in keiner Gewebelage ein Unterschied zwischen Bestrahlung und Scheinbestrahlung gefunden.

Mehrere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, daß die Hypothese der thermoakustischen Ausdehnung und der Weiterleitung als Körperschall im Knochen von zweifelhaftem Wert ist. Auch die aus Mikrofonaufzeichnung in der Gehörschnecke gewonnen Daten, die zur Stützung dieser Hypothese verwendet werden, können in Zweifel gezogen werden. In erster Linie haben wir in unserem direkten physiologischen Versuch, über den wir hier berichten, nicht die vorhergesagte Bewegung gefunden.

Zum zweiten wurden die Muster des Glucoseverbrauchs in den Gehirnen von Ratten, die mit gepulster Mikrowellenenergie bestrahlt wurden von Wilson et al. mit Hilfe der Autoradiographie gemessen. Bei jedem Tier wurde ein Mittelohr ausgeschaltet um ein Ungleichgewicht in der Funktionsfähigkeit der beiden Seiten des Gehörsystems gegenüber akustischen Reizen hervorzurufen. Durch den Vergleich der Muster des Glukoseverbrauchs während akustischer Reize mit den Mustern des Glucoseverbrauchs während der Bestrahlung mit Mikrowellenenergie waren diese Forscher in der Lage, zu zeigen, daß gepulste Mikrowellenenergie eine Stoffwechselreaktion durch einen anderen Mechanismus als die akustische Weiterleitung durch das Mittelohr im Gehörsystem hervorrufen können.

Zum dritten haben Lebovitz und Seaman durch Aufzeichnungen im Hörnerv entdeckt, daß Nerveneinheiten für hohe akustische Frequenzen eine geringere Empfindlichkeit für Mikrowellenenergie haben. Aber sie stellen heraus, daß die Hypothese der thermoakustische Ausdehnung mit Knochenweiterleitung das Vorhandensein einer ausgesprochen hochfrequenten mechanischen Komponente als Antwort auf die Mikrowellenenergie voraussetzt.

Viertens haben Tyazhelov et al. die Lautstärke von Radiofrequenztönen in Abhängigkeit von Pulslänge und Pulswiederholrate bestimmt und Klopfphänomene untersucht. Sie schlossen, daß die Hypothese der thermoakustische Ausdehnung mit Knochenweiterleitung durch ihre Daten wegen der für das Radiofrequenzhören ausreichenden niedrigen Energiedichte nicht unterstützt wird.

Fünftens haben Frey und Eichert mit der Hilfe von Musikern akustische Energie an den durch Mikrowellenenergie hervorgerufenen Radiofrequenzton angepasst. Es ist zu erwarten, daß die verwendeten Mikrowellensignale das Repetition Pitch Phänomen ( Anmerkung des Übersetzers: Entsteht bei Überlagerung von genau gleichen aber phasenverschobenen akustischen Wellen, wobei der wirksame Mechanismus nicht bekannt ist. ) verursachen würden, wenn die Hypothese zuträfe. Das vorhergesagte Repetition Pitch Phänomen trat nicht ein. Das legt nahe, daß die Mikrowellenenergie vor dem Erreichen der Gehörschnecke nicht in akustische Energie umgewandelt wird. Weiterhin deutet dieses Ergebnis darauf hin, daß nicht der Gesamtmechanismus der Gehörschnecke am Radiofrequenzhören beteiligt ist.

Nur die Versuche von Chou und seinen Mitarbeitern werden als Unterstützung der Hypothese bewertet. Chou et al. haben mit einem Mikrofon Töne am runden Fenster der Schnecke des Gehörs von Meerschweinchen aufgezeichnet, die mit Mikrowellenenergie bestrahlt wurden. (...) Obwohl sie ihre Daten als Unterstützung der Hypothese der thermoakustischen Ausdehnung und Weiterleitung im Knochen interpretieren sind andere Erklärungen möglich. Straub beispielsweise schlug den Ludwig-Soret Effekt zur alternativen Erklärung der von Chou et al. gewonnenen Daten vor. Dieser Effekt schließt durch Wärme hervorgerufene elektrische Felder in ionenhaltigen Flüssigkeiten ein. Straub schlug vor, daß die Veränderungen im elektrischen Feld einer Membran, die durch einen großen Temperaturunterschied entstehen, groß genug sein könnten, eine Depolarisation oder die Entfernung von Kalzium von der Oberfläche der Membran hervorzurufen. (...)

Die in dieser Veröffentlichung besprochenen Ergebnisse legen nahe, daß der Ort des Entstehens des Radiofrequenzhörens die Gehörschnecke ist. Unter den vielen Mechanismen in der Gehörschnecke die für das Hören von Mikrowellenenergie verantwortlich sein könnten, sollte auch die Möglichkeit der thermoakustischen Ausdehnung innerhalb der Schnecke in Erwägung gezogen werden. White schlug vor daß vorübergehende elastische Wellen durch thermoakustische Ausdehnung in den Strukturen der Schnecke hervorgerufen werden könnten die dann den Effekt des Radiofrequenzhörens hervorrufen. Wenn der Ort der Entstehung dieses Effektes innerhalb der Schnecke liegt wie es den Anschein hat, wird es schwierig den Mechanismus zu identifizieren. Aber das durch Mikrowellen hervorgerufene Hörphänomen könnte sich bei der Erforschung der Funktion eines Teils des Gehörs als nützlich erweisen, der kaum verstanden ist.

http://www.totalitaer.de