Die absichtliche Schädigung des Gehirns durch Elektroschocks zur Ausschaltung Oppositioneller ab 1945

Zur Schädigung des Gehirns Oppositioneller werden eine Vielzahl von Techniken angewandt. Von besonderem Interesse ist dabei die Anwendung von Elektroschocks, da sie eine dauerhafte Schädigung erlauben.

Peter R. Breggin beschreibt in "Brain-Disabling Treatments in Psychiatry: Drugs, Electroshock and the Psychoparmaceutical Complex" auf Seite 218 ff. einen solchen Fall in dem es zu schwerwiegenden Nebenwirkungen einschließlich einer Verringerung des Intelligenzquotienten um 20 Punkte kam.

Nach dem Auflösen der Konzentrationslager sind ab Herbst 1945 in Deutschland wieder die alten verdeckten Methoden der Verfolgung Oppositioneller verwendet und weiterentwickelt worden. Aus dieser Zeit stammt der Aufsatz

Psychopathologische Erfahrungen mit der Elektrokrampfmethode

von Walter v. Baeyer und Wilhelm Grobe, 11. Juni 1947, veröffentlicht in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, Band 179, S. 163-233, Berlin 1948.
Die Erläuterungen sind in farbiger Schrift dargestellt.

Zuerst wird das Ergebnis der Elektroschocks beschrieben.

(S.190) Bei manchen Depressionen ist es so, als ob die krampferzeugte, typisch organische Lustqualität in ihrer flachen, gedankenarmen, wohligen Art und mit ihrer charakteristischen Neigung zu einfältigen Lachreaktionen bei belanglosen Anlässen die seelischen Voraussetzungen für das Haben schwermütiger Gefühle, für Sorgen, Befürchtungen, Selbstvorwürfe, Insuffitzienzgedanken einfach auslöschte und aufhöbe und an die Stelle der depressiven Gemütsverfassung träte. (...)

Es wird offen zugegeben, daß Depressionen durch die Lebensumstände verursacht werden. Trotzdem wird eine Erkrankung behauptet und Elektroschocks eingesetzt um Beschwerden gewaltsam zu unterdrücken. Durch die Zerstörung des Intellekts sind die Gefolterten gar nicht mehr in der Lage auf ihre Lebensumstände angemessen zu reagieren. Auch nicht sie durch eigene Anstrengung zu verbessern.

Besonders deutlich ist das bei den erfolgreich behandelten reaktiven Depressionen, wo von Krampf zu Krampf die Bedeutung des verstimmenden Anlasses, der an sich unveränderten, niederdrückenden Lebenssituation, abblaßt oder optimistischer beurteilt wird. In dieser stark vital gefärbten Wohligkeit des subjektiven Befindens ist es nicht mehr möglich, Dinge schwer zu nehmen, an Enttäuschungen und Sorgen wirklich zu leiden. Wenn den Patienten jede Kleinigkeit amüsiert und zum Kichern und Lachen reizt, hört die Ernstwertung äußerer Umstände auf, erlischt die Neigung zu selbstquälerischen Gedankengängen.(...)

Die direkt nach dem Krieg, auch bei Verfolgten des 3. Reiches objektiv vorhandenen Probleme konnten dann von den Behörden abgestritten und als eingebildet dargestellt werden.

Hypochondrisch-depressive Inhalte sind noch da, werden aber nicht mehr ernst genommen, bewitzelt. (...)

Kaum verdeckt wird die Folterung von Verfolgten des 3. Reiches propagiert um sie zum Schweigen zu bringen.

(S.191) Bei einer senilen Depression, einem alten Mann, der Anfangs in tiefer Unruhe und Verzweiflung glaubte, daß er geschlachtet und sein Fleisch in Büchsen nach England verfrachtet würde, ergab sich nach den Krämpfen zeitweise eine freundliche, leicht gehobene Redseligkeit, in der dieselben Befürchtungen, nur ohne den adäquaten Affekt geäußert wurde.

Das heißt, Menschen die geglaubt hatten im Konzentrationslager „verwertet“ und ermordet zu werden, können ebenfalls durch Elektroschocks daran gehindert werden das in angemessener Weise öffentlich zu machen. Auch dadurch, daß sie durch absichtliche neurologische Schädigung nicht mehr in der Lage sind, aktiv zu sein. Anstatt sich um die Opfer zu kümmern, drängen sich die Autoren den Tätern des 3.Reiches geradezu auf, ihre Opfer zum Schweigen zu bringen.

Das Nicht-Haben-Können depressiver Erlebnisse basiert manchmal auch auf einer nicht euphorischen, sondern lediglich stumpfen und leeren, antriebs- und interesselosen Verfassung, auf einer Art apathisch-abulischem Zustand.

Von besonderem Interesse ist für die Täter des 3. Reiches natürlich eine so schwere Schädigung des Gehirns ihrer Opfer, daß die Erinnerung an Folter und Mord ausgelöscht wird.

Mit den krampfbedingten Veränderungen der Affektivität verbindet sich häufig das amnestische Syndrom mit Merkstörungen und retrograder Amnesie. Auch darin, vor allem in der retrograden Erinnerungslosigkeit, ist ein therapeutisches Moment zu erblicken. Die depressiven Inhalte werden einfach vergessen.

Die Kranken wissen überhaupt nicht mehr, warum sie in die Klinik gekommen sind, wissen manchmal nicht einmal etwas von der Behandlung und können gleichsam unbeschwert ein neues Leben beginnen. Amnesie ist aber, wovon wir uns oft überzeugen konnten, keine Vorbedingung der unbeschwerten Zuwendung zum Leben, zur Zukunft. Die depressiven Inhalte oder deprimierenden Anlässe werden häufig weiterhin gewußt, gehen nicht in der Amnesie, sondern in der Euphorie unter.

In diesem Aufsatz wird der Vorteil der Zerstörung der Erinnerung durch Elektroschocks offen angepriesen. Dann wird die zur Veröffentlichung bestimmte Lüge angehängt, nach der es zu keinem dauerhaften Verlust der Erinnerung kommt.

Die Beobachtung lehrt, daß die organischen Erscheinungen nichts Bleibendes, sondern Durchgangsphasen im Prozeß der Heilung sind. Die amnestischen Störungen verschwinden oft schon wenige Tage nach Beendigung der Krampfbehandlung, spätestens nach einigen Wochen. (...)

Bemerkenswert ist der folgende Ablauf. Nach jahrelanger Vorgeschichte war die Betroffene zwei Jahre lang bis Februar 1945 nicht mehr handlungsfähig. Während des Zusammenbruchs des 3. Reiches war sie spontan geheilt. Nach einiger Zeit kam es dann zu neuen Beschwerden, die sich aber erkennbar von denen vor Kriegsende unterschieden.

(S. 197) Fall Nr. 19 ( 456/46 ) Frau Berta O., 53 Jahre alt, über familiäre Belastungen nichts bekannt. Nach Angaben des Ehemanns früher unauffällig, sehr arbeitsam, reinlich und pünktlich, lebhafte und gesellige Natur. Soll seit etwa 10 Jahren verändert sein. Es habe zunächst mit stundenweisen Gemütsverstimmungen begonnen, die sich zu Monaten verlängerten. März 1943 bis Februar 1945 war sie in einem Zustand, in dem sie sich zu keiner Arbeit und zu keinem Vergnügen aufraffen konnte.

Nach einer vorübergehenden spontanen Besserung, wobei sie wieder zu arbeiten anfing und heiter war, klagte sie plötzlich über Erstickungsgefühl, Herzbeklemmungen, vergiftete Luft, fing an zu grimassieren. Seit dieser Zeit ist sie in wechselndem Maße erregt, hat ihre Kleider zerrissen, Möbel zertrümmert und immer wieder den Gedanken geäussert, Luft und Essen seien vergiftet, jemand lege ihr etwas in den Weg. Besonders glaubt sie sich von einem Knaben im Haus verfolgt.

Die Einschätzung der Betroffenen daß sie vergiftet würde, ist nach der damals verfügbaren Technik und den beschriebenen Symptomen offensichtlich richtig. Auch die Annahme daß dabei Kindersoldaten, also ehemalige Mitglieder der HJ eingesetzt wurden, ist sicherlich richtig.

Am 27.3.46 kommt die Kranke (...) in die Klinik (...). Nach Elektrokrämpfen am 6., 9., 11., 12., 13. April ist sie viel ruhiger, spricht weniger, benimmt sich nicht mehr bizarr, grimassiert nur mehr geringfügig, ist aber noch deutlich denkgestört. Nach einem weiteren „Block“ von Krämpfen am 16., 17., 18. April tritt ein organischer Verwirrtheitszustand auf, sie läßt nachts Kot ins Bett, findet sich auf der Station nicht mehr zurecht, findet weder Bett noch Klosett, ist völlig antriebslos und stumpf geworden, sitzt stumm auf der Abteilung herum, nimmt an nichts Anteil. Mit den Krämpfen wird nun ausgesetzt. In den nächsten Tagen kehrt die Orientierung wieder. (...)

Ein "besonders schöner Erfolg" der nachhaltigen Schädigung des Gehirns durch Folter mit Elektroschocks wird beschrieben.

(S.200) Für eine im ganzen günstige Beeinflussung eines schizophrenen Stupors stehe folgendes Beispiel: Fall Nr. 21 (666/46) Frau Klara F., 34 Jahre alt. Die früher immer ruhige, fleißige und tüchtige Hausfrau ist seit 8 Wochen verändert, habe den Haushalt vernachlässigt und Tobsuchtsanfälle gehabt. (...) ( Nach insgesamt 10 Elektrokrämpfen ) ist sie ganz unauffällig, aufgeschlossen, freundlich, warm, freut sich, wieder nach Hause zu kommen um ihre Kinder versorgen zu können. Man bekommt leicht Kontakt mit ihr, der Gedankengang ist geordnet. Die Psychose ist durch eine vollständige retrograde Amnesie verdeckt, sie kann sich nicht erinnern, wie sie in die Klinik gekommen ist und nichts über psychotische Erlebnisse angeben, ist auch vergesslich geworden, hat das Alter ihrer Kinder vergessen.

Auch im folgenden Fall zeigt sich daß bereits ein halbes Jahr nach Kriegsende wieder Gehirnwäschetechniken eingesetzt wurden.

(S.202) Fall Nr. 23 (565/46) (...) Elisabeth E. (...) fühlt sich seit Herbst 1945 hypnotisiert, hat seitdem Gedanken und Einfälle, die ihr von jemand eingegeben würden und die sie als „Erinnerungen“ bezeichnet. Manchmal spricht sie auch von Sätzen, die sie „gehört“ hat um aber gleich zu betonen, daß derartige Sätze eigentlich nicht gehört, sondern ebenfalls eingegebene „Erinnerungen“ seien. So habe es in der Nacht geheißen, sie bekäme sowieso den Tod, sie solle es lieber selber tun, sonst kriege sie einen schlimmen Tod. Daraufhin hätte sie sich beinahe das Leben genommen, sich vergiftet. Da müsse etwas nicht stimmen, man solle ihr das Horoskop stellen, es müsse etwas Politisches dahinter stecken.

Bemerkenswert ist, daß ihr der Eindruck vermittelt wird, daß die Besatzungstruppen „sie hypnotisieren“. Deutsche Geheimdienste lenken immer den Verdacht auf andere.

Im Oktober vorigen Jahres sei sie von der Wohnungspolizei verhaftet und 13 Tage im Untersuchungsgefängnis festgehalten worden. Der Kapitän von der Militärregierung, mit dem sie bei dieser Gelegenheit zu tun hatte, sei äußerlich sehr nett gewesen, habe sie aber hypnotisiert. Es komme ihr so vor als ob es sich um eine Weltherrschaft drehen würde. Wenn sie sich nicht umbringe, kriege sie den lebendigen Verbrennungstod. (...)

Damals schon wurde gezielt verhindert daß Opfer Aussagen zu den Folterungen machen. Diese Techniken sind offensichtlich auch gegen Angeklagte vor Freislers Volksgerichtshof eingesetzt worden. Anders lässt sich das Erscheinungsbild vieler Angeklagter nicht erklären. Auch Ulrike Meinhof hat das gewaltsame Verhindern des Denkens beschrieben.

Bei der Erhebung der früheren Vorgeschichte ist der Gedankengang geordnet, um bei Besprechung der psychotischen Erlebnisse sofort zerfahren zu werden. Sie verliert die zeitliche Reihenfolge, rettet sich in dunkle Andeutungen. (...)

Nun wird sie so lange gefoltert bis die Nervenschäden zu einem Gedächtnisverlust führen und sie nicht mehr in der Lage ist sich zu wehren.

Nach 3 Elektrokrämpfen hintereinander gibt sie an, neue „Erinnerungen“ seien nun nicht mehr aufgetreten; sie korrigiert die früheren aber nicht, sondern baut das Aufhören der „Erinnerungen“ in ihren Wahn ein: Durch den elektrischen Apparat seien die Hypnosen aufgehoben worden. Nach wie vor hält sie sich keinewegs für krank, drängt auf Entlassung. Nach einer Pause von einem Tag 2 weitere Krämpfe, wonach die Kranke recht laut und erregt wird, sich über Kopf- und Herzschmerzen beschwert.

Unter 5 weiteren Krämpfen, von denen die letzten 4 in Blockform gemacht werden, stellt sich zunächst ein ausgesprochener Unruhezustand ein. Sie ist nicht mehr im Zimmer zu halten, läuft im Gang herum, packt ihren Koffer, schreit laut, beschimpft und schlägt die Schwestern, drängt ständig hinaus, äußert aber keinerlei psychotische Inhalte, ist vielmehr gar nicht mehr fixierbar, schreit ihre Entlassungswünsche stereotyp hinaus, ohne auf Fragen einzugehen. Sie bietet das Bild einer weitgehend affektleeren, oberflächlich gereizten Getriebenheit.

Eine normale Reaktion nachdem sie gefoltert worden ist. Bemerkenswert ist, daß viele Folteropfer nicht in der Lage sind sich zu wehren.

2 Tage nach Beendigung der 10 Krämpfe umfassenden Behandlung ist sie plötzlich wie umgewandelt, liegt morgens ruhig und antriebslos im Bett, antwortet mit einem Lächeln auf die Frage, was jetzt mit ihren „Erinnerungen“ sei: „Was für Erinnerungen?“ ( Wie fühlen Sie sich jetzt? ) „Ganz gut“. ( Sie waren doch maßlos aufgeregt? ) „Ich war maßlos aufgeregt? Ne!“

Sie ist örtlich und zeitlich desorientiert, weiß nicht in welchem Haus sie sich befindet, gibt 1939 als Jahreszahl an, die Stimmung scheint etwas gehoben zu sein. In den nächsten Tagen klingt der amnestische Zustand rasch ab, die Orientierung kehrt langsam wieder. Etwa 10 Tage nach Beendigung der Krampfbehandlung ist sie einige Tage lang weitgehend gebessert, sogar einsichtig, erklärt spontan, daß sie offenbar geisteskrank gewesen sei, bleibt allerdings leicht zerfahren und unangenehm schrill im Tonfall.

Ein weiterer Fall bei dem ein halbes Jahr nach dem Ende des Krieges die offene Verfolgung wieder begonnen wurde. In diesem Fall lag den Symptomen nach wohl eine Vergiftung vor, vielleich mit LSD.

S.222 Die Lehrersfrau Gertrud G., 35 Jahre, war vor 7 Jahren vorübergehend verwirrt. Dann jahrelang geordnet, aber in ihrer Persönlichkeit im Sinne des Geizigen Rachsüchtigen verändert. Im Oktober 1945 wieder verwirrt. In der Klinik motorisch unruhig, starker Rededrang, mit völlig unzusammenhängenden Äußerungen, Wortneubildungen, Klangassoziationen, manierierten Gesten und Grimassen.

Auch der nächste Fall zeigt, daß bereits ein halbes Jahr nach Kriegsende die Folter, Gehirnwäsche und Überwachungstechniken wieder eingsetzt wurden.

(S.203) Fall Nr. 24 ( 704/46). Die 17 jährige, schon immer etwas eigentümliche Oberschülerin Annemarie B. beschäftigt sich seit September 1945 viel mit grüblerischen Gedanken über Gott und die Ewigkeit, kann mit religiösen Problemen nicht fertig werden, schwankt merkwürdig in ihrem Verhalten, rennt plötzlich zum Zimmer hinaus, wenn Freundinnen zu Besuch kommen. Sie kommt auf 3 Wochen aufs Land in den Haushalt eines Nervenarztes, der eine Hebephrenie feststellt, sie zur Sicherung der Diagnose in die Klinik einweist.

Dieses Folteropfer beschreibt das Hören von Stimmen. Die Täter geben sich als Gott aus.

Bei der Aufnahme erklärt sie, die Nachbarschaft rede schlecht von ihr, alle steckten zusammen und machten Bemerkungen über sie. Sie könne es eigentlich gar nicht nachweisen, es sei wohl Einbildung; sie habe sich auch eingebildet viel näher an Gott zu stehen, als viele andere, Gott direkt zu hören, wie eine Stimme, wie eine richtige Menschenstimme. Die Stimme sagte, man sollte nicht mehr so weiter leben wie bisher, sondern eine Art Büßerleben führen.

Gewaltsame Unterbrechungen des Denkens werden beschrieben.

Sie habe aber auch Dinge gehört, deren Sinn sie nicht verstanden habe, ihre Gedanken seien so abgerissen. Sie sei nicht fähig gewesen, richtig zu denken, immer so zerstreut. Sie sei ein bissel gestört gewesen. Feindliche Einflüsse wollten ihre Gedanken zerstören und sie immer wieder aus der Ruhe bringen. Unwillkürlich seien immer so lästige Gedanken auf sie eingedrungen, daß das Leben sinnlos sei, es könnte ja etwas ganz Schlimmes passieren, da sei es besser wenn man vorher nicht so vergnügt lebe, da gehe es einem nachher nicht so schlecht.

Auch Stimmungssteuerung kommt bereits zum Einsatz.

Sie habe ein komisches Angstgefühl, als ob sie gar nicht alles überschauen könnte, als ob überirdische Mächte über sie befehlen, als ob ihr jeden Tag etwas Furchtbares passieren könnte, sie vielleicht verbrennen oder irgendwo herunterstürzen würde. Sie habe sich auch mal eingebildet Gas zu riechen. Diese Angaben macht die Kranke in abgerissenen Sätzen. Ihre Formulierungen sind oft unbestimmt und andeutend. Die Stimmung entspricht nicht dem Inhalte ihrer Gedanken, ist eher flach, ein bißchen verlegen. Nur einmal, und zwar bei der Frage, ob sie ihren Zustand gerne loswerden würde, ist sie plötzlich tiefer betroffen, wobei ihr Tränen in die Augen treten. Eine Elektrokrampfbehandlung wird eingeleitet, nachdem die Diagnose feststeht.

Im nächsten Fall zeigt sich, daß intelligente oder gut informierte Personen wesentlich öfter gefoltert werden müssen um das intellektuelle Niveau auf das gewünschte Maß zu bringen. In diesem Fall waren 27 Elektroschocks notwendig.

S.209 Fall Nr. 26 (658/46). Lotte D. 22 Jahre alt. Die prämorbid intelligente, aber immer etwas eigenartige, nach dem Ausdruck ihres Bruders mit „hochgeistigen“ Büchern beschäftigte kaufmännische Angestellte gerät akut in einen Verwirrtheitszustand mit lebhafter Erregung und muß in die Klinik gebracht werden. Bei der Aufnahme ist sie gespannt, widerstrebt der Auskleidung, zieht sich dann nackt aus, wirkt ängstlich, macht Andeutungen, die Stimmen ihrer Verwandten nebenan zu hören.(...)

In der Folgezeit werden 27 Krämpfe gemacht, wonach nach einem kurzen Rückfall eine längere Remission eintritt, die die Entlassung ermöglicht. Bei der Entlassung ist sie äußerlich unauffällig, ruhig geordnet, mimisch sehr viel ausdrucksvoller und belebter als zuvor, einsichtig, wenn auch bei genauer Beobachtung affektiv etwas gleichgültig. Sie klagt über Vergeßlichkeit und auch darüber, daß sie ihre Gedanken nicht zusammenhalten könne. (...)

Und nun erklärt uns Herr Walter von Baeyer, dem 1972 für seine den Tätern des 3. Reiches überaus wertvolle Tätigkeit das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, die Hintergründe und Mechanismen der Folter mit Elektroschocks.

S.211 Man weiß daß organische Hirnprozesse – am bekanntesten ist das bei der Epilepsie und bei der behandelten Paralyse – die Persönlichkeit im Sinne einer „Hypersozialität“ verändern können, d.h. den Menschen sozialpsychisch anpassungsgeneigter, anschmiegender, zugänglicher, fügsamer machen. (...) Wir haben an anderer Stelle (...) ausgeführt, daß es sich bei dieser Hypersozialität weniger um eine eigentliche Gefühls- und Gesinnungsänderung als um eine gesteigerte Fremdanregbarkeit des Willens - „Fremdwilligkeit“ - handelte.

Gleichgültig, wie man das Phänomen einer durch organische Hirnveränderung erzeugten Steigerung der zwischenmenschlichen Beziehungsfähigkeit theoretisch begründen will – als Tatsache ist es erwiesen und oft beschrieben. Die Vermutung liegt nahe, daß auch die paroxysmale Hirnschädigung des therapeutischen Krampfes in ähnlicher Art und Weise auf die autistische Psychose wirkt, die psychotische Verschlossenheit lockert, die emotionelle oder willensmäßige Fremdanregbarkeit erhöht. (...)

Wenn man das zusammenfaßt, wird die Folter mit Elektroschocks verwendet um gezielte Hirnschäden zu erzeugen. Die veringerte Hirnleistung einschließlich erhöhter Vergeßlichkeit verhindert dann eigenständiges Handeln. Die betroffenen Personen sind nicht mehr in der Lage, das was um sie herum vorgeht zu durchschauen und kritisch zu bewerten.

Die Folteropfer sind nach den Elektroschocks aber noch in der Lage offene Verfolgung wahrzunehmen.

Im allgemeinen müssen wir die Erfahrung anderer Therapeuten bestätigen, daß die vorwiegend wahnbildenden und halluzinatorischen Formen der Schizophrenie der Krampfbehandlung häufig widerstehen oder wenig günstige Resultate liefern.

Bemerkenswert ist, daß bereits ein halbes Jahr nach Kriegsende Menschen wieder systematisch vom Deutschen Staat gefoltert wurden. Das Ziel der Maßnahmen war, diese Personen in die Psychiatrie zu bringen. Den Folteropfern wurden Stimmen eingespielt, bei ihnen wurde Gehirnwäsche und Stimmungssteuerung eingesetzt. Daß nach den Aussagen der Betroffenen damals auch Gifte eingesetzt wurden ist sehr wahrscheinlich.

Da ein oder zwei Monate nach Ende des Krieges General Gehlen von Hitlers Nachfolger Admiral Dönitz den Auftrag bekam, einen neuen Geheimdienst aufzubauen, kann davon ausgegangen werden, daß ab Herbst 1945 wieder ein deutscher Geheimdienst tätig war. Auch wenn die Organisation Gehlen offiziell erst 1946 gegründet wurde. Man muß insofern leider der Wertung der Rechten zustimmen, daß das 3. Reich niemals untergegangen ist.

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