Aktive Gegenmaßnahmen

Gegenmaßnahmen bei aktiven Maßnahmen der Geheimdienste soll natürlich nicht heißen, daß man tatsächlich eine Chance hat, gegen den Apparat zu gewinnen. Was erreicht werden kann ist, möglichst viele Gegner zu binden, damit andere politisch verfolgte Dissidenten, die weniger gut mit dieser Situation zurechtkommen, in Ruhe gelassen werden. Denn soviel ist klar: Wenn ein „Fall“ erledigt ist, wird man mit den freigewordenen Kapazitäten sofort den Nächsten bearbeiten. Also sollte sich jeder, der die Nerven dazu hat, verpflichtet fühlen die „andere Seite“ solange wie möglich hinzuhalten. Und jemand mit starken Nerven kann unter Umständen viele Leidensgenossen vor Verfolgung schützen. Und das ist auf jeden Fall als Erfolg zu werten.

Um die eigenen Nerven zu schonen, kann es manchmal von Vorteil sein, eine kleine Pause einzulegen. Während dieser Zeit sollte dem Gegner aber klar sein, daß man jederzeit und ohne Vorwarnung eigene Aktionen startet. Das zwingt den Gegner entsprechend viel Personal bereitzuhalten. Wichtig ist, daß man den Gegner möglichst im unklaren über seine nächsten Schritte läßt, damit er nicht im voraus planen kann. Der Aufwand den man bei eigenen Aktionen betreibt kann sehr gering sein, indem man einem Passanten ein Flugblatt in die Hand drückt.

Oder man erzwingt mobile Überwachung über einen längeren Zeitraum ( bis zu mehreren Monaten ) indem man mit dem Auto unterwegs ist und vielleicht aus Kostengründen im Auto oder Zelt übernachtet. Dabei ist es nicht unbedingt nötig große Entfernungen zurückzulegen. Wer sparsam ist kann so mit einem Etat von 15 oder 20 DM pro Tag auskommen, während der Gegner einen sehr hohen Aufwand betreiben muß. Und zwar zusätzlich zu der normalen Überwachung zuhause, denn die läuft ja weiter. Und während dieses „Urlaubs“ kann man mit vielen Personen in Kontakt kommen.

Auch wenn diese Personen mit Desinformation und Zersetzung bearbeitet werden, so wird sich doch auf die Dauer herumsprechen, daß es ein Sonderverfahren der Geheimdienste gibt. Und spätestens wenn das dritte Opfer vorbeikommt wird sich der eine oder andere seine Gedanken machen. Und man sollte eines immer bedenken: Öffentlichkeit ist der Feind des Geheimdienstes.

Wichtig ist, daß man als Opfer, auch wenn es schwerfällt, seinen Humor nicht verliert. Denn ohne Humor hat man schon verloren. Und man sollte den Gegner vor allem im System sehen, weniger im einzelnen Geheimdienstler, auch wenn manche von denen keinen Humor haben. Aber das ist deren Problem. Bei aktiven Maßnahmen des Gegners sollte man sich vor Augen halten daß diese ganzen Aktionen illegal sind und man selber als Opfer der moralische Sieger ist.

Wenn man nicht weiß, daß man auf der Abschußliste steht, kann man sich nicht wehren. Es ist dann praktisch unmöglich sich gegen Zersetzung zu wehren, denn man weiß ja nicht, wer die niedlichen kleinen Geschichten erzählt und bewußt die falschen Eindrücke erweckt. Und selbst wenn man es herausfindet ist es praktisch unmöglich, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Aber man kann natürlich allen Bekannten mitteilen, daß man unter Sonderbehandlung eines Nachrichtendienstes steht.

Wenn man versucht solche Geschichten vor Gericht auszutragen, hat man schon verloren, denn dann ist man auf lange Zeit mit nervenaufreibendem Papierkrieg beschäftigt, anstatt den Rücken frei zu haben für kreative und für den Gegner nervenaufreibende, weil überraschende Aktionen und Gegenmaßnahmen. Man muß sich auch davor hüten sich in kleine Streitereien oder auch nur lange Gespräche mit den Mitarbeitern des Geheimdienstes einzulassen. Das zehrt nur an den Nerven. Erfolgreicher ist es, den Gegner möglichst oft in die Leere laufen zu lassen.

Diese Taktik darf natürlich nicht dazu führen, daß man sich zu Hause verkriecht, denn dann hat der Gegner sein Ziel erreicht, nämlich unbequeme Personen aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen und zu isolieren. Statt dessen ist es wichtig, ständig Druck auf den Gegner auszuüben, indem man die Öffentlichkeit sucht, auch wenn die Leute aufgrund der Kampagnen glauben, daß man ein böser Junge ist. Diesem absichtlich erweckten falschen Eindruck begegnet man am besten mit sehr viel Humor und einem seeeehr langen Atem. Und es ist wichtig, daß man immer wieder die Leute aufsucht, die einen schlechten Eindruck gemacht bekommen haben. Man ist zu ihnen trotzdem freundlich und zuvorkommend. Wenn diese Besuche über einen längeren Zeitraum erfolgen, dann wird sich jeder dieser ja nicht an dem Spiel beteiligten, die im Grunde auch Opfer der Kampagne sind, feststellen, daß an den Verleumdungen nichts dran ist. Und dann kann man beiläufig einfügen, daß man unter „Sonderbehandlung“ steht.

Solche Aktionen über einen langen Zeitraum sind für den Gegner außerordentlich peinlich, denn das System beruht ja gerade darauf, daß man nicht mehr zurückkommt, also das Verschwindenlassen funktioniert. Und aus den Augen, aus dem Sinn. Dabei ist es nicht erforderlich, unter Umständen sogar kontraproduktiv, wenn man sich auf zu lange Gespräche und Diskussionen einläßt. Es ist vollkommen genug, kurz und dafür öfter einen guten Eindruck zu hinterlassen, auch wenn es manchmal wegen der „widrigen Umstände“ schwer fällt.

Ein erfolgreiches, weil für den Gegner nicht vorausplanbares Handeln erfordert vom Opfer eine größtmögliche Mobilität. Das bindet gegnerische Kräfte und treibt den Aufwand und die Kosten hoch. Dabei muß vor allem ein für den Gegner erkennbares Muster vermieden werden. Also öfter mal was neues. Der Gegner versucht natürlich die Zielperson zu isolieren, was mehr oder weniger gut gelingt ( Die sogenannte „Observationsglocke“, nachzulesen in Krieg der Gaukler von Hans Halter, Göttingen 1993 ). Aber solche Verfahren sind außerordentlich aufwendig und deshalb für den Gegner ein Problem.

Das Ziel ist, den Gegner zu erschöpfen und an seine Kapazitätsgrenzen zu bringen. Was bei dem Aufwand den Geheimdienste treiben können nicht so einfach ist. Aber auch wenn man nicht unbedingt viele Leute erreicht, so bindet man doch gegnerische Kräfte. Und zwar sehr viele. Natürlich muß man zumindest ab und zu einige Leute ansprechen, und ihnen zum Beispiel erzählen, womit sich die Geheimdienstler so die Zeit vertreiben. Natürlich kommt es auch dabei darauf an, einen guten Eindruck zu hinterlassen und nicht zu viel zu erzählen. Wenn die angesprochene Person den Eindruck erhält, daß man unglaubwürdig ist, kann man zum Beispiel sagen, daß man diese an sich ja unglaublichen Vorgänge selbst nicht geglaubt hätte, wenn man sie früher gehört hätte. Aber man erzählt sie trotzdem, denn wenn das Gegenüber von jemand anderem die gleiche Geschichte hört, wird sie glaubwürdiger. Hilfreich ist oft auch ein selbst hergestelltes Flugblatt mit aus Büchern oder Zeitungen herauskopierten Texten, die erzähltes glaubwürdig oder zumindest technisch möglich erscheinen lassen. Dabei ist es besser, mit den Angesprochenen ein kurzes Gespräch zu führen, als ihnen wortlos ein Papier in die Hand zu drücken, das dann im nächsten Papierkorb landet. Solche Aktionen machen dem Gegner Probleme, denn nichts fürchtet ein Geheimdienst mehr als die Öffentlichkeit.

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